Ideen­werk­statt für die Trans­for­ma­tion der Arbeit

Veran­stal­tung im Co-Working-Weiter­bil­dungs­zen­trum ATHEM in Nürn­berg

Einmal Impulse auftanken für die Arbeits­welten der Zukunft. Mit diesem Angebot öffnete die Ideen­werk­statt „Alles New Work, oder was?“ wieder ihre Türen. Dieses Mal im Co-Working-Weiter­bil­dungs­zen­trum ATHEM in Nürn­berg mit dem Schwer­punkt „Trans­for­ma­tion der Arbeit“. Die Veran­stal­tung war ein Gemein­schafts­pro­jekt von Marco Wagner von der rheform – Work­place­In­no­va­tion GmbH, Ursula Karo­line Göhring von GOEH­RING INNEN­AR­CHI­TEKTUR (GOIA) sowie den beiden ATHEM-Grün­dern und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lern Karin Seeburger und Anton Hulm.

Menschen aus unter­schied­li­chen Berufen, Orga­ni­sa­tionen und Hier­ar­chie­stufen waren einge­laden, einen Abend lang Ideen für anste­hende Heraus­for­de­rungen zu sammeln, andere Sicht­weisen auszu­pro­bieren und mitein­ander ins Gespräch zu kommen. Schnell stellte sich zu Beginn beim infor­mellen Get-toge­ther heraus, dass die Trans­for­ma­tion der Arbeit überall bereits in vollem Gang ist – mit allen Erwar­tungen, Span­nungen und Unsi­cher­heiten, die zu solch einem Prozess dazu­ge­hören. Dabei hatten viele der Anwe­senden in dieser Hinsicht schon einen beacht­li­chen Weg zurück­ge­legt. Das machten bereits die Antworten auf die zu Veran­stal­tungs­be­ginn gestellte Frage deut­lich: „Welche Arbeits­mittel aus der Zeit ihres Berufs­ein­stiegs nutzen Sie heute nicht mehr?“ Die Ergeb­nisse zeigten, wie grund­le­gend sich der Arbeits­alltag in den vergan­genen Jahren und Jahr­zehnten bei vielen gewan­delt hat.

Die Trans­for­ma­tion der Arbeit: zentrale Merk­male

Doch nicht jedes archi­vierte Arbeits­mittel führt gleich zu elemen­taren Verän­de­rungen in Struk­turen, Prozessen oder Denk­weisen. Was gehört also alles zu einer Trans­for­ma­tion? Worauf kommt es an und wie kann sie gelingen? Karin Seeburger, Grün­derin von ATHEM und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lerin, erläu­terte in ihrem Impuls­vor­trag die zentralen Merk­male von Trans­for­ma­tion: Ihre Auswir­kungen sind umfang­reich, tief­grei­fend, lang­fristig und anpas­sungs­fähig. Zwei Faktoren sind ihrer Ansicht nach entschei­dend für den Erfolg einer Trans­for­ma­tion: zum einen die präzise Defi­ni­tion der ange­strebten Ziele, zum anderen die gründ­liche Refle­xion vorab darüber, was nach Abschluss des Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesses besser sein soll als zu Beginn. Auf dieser Basis lassen sich eine Mission und ein Projekt­plan aufsetzen.

Von der Theorie in die Praxis: Hebel­punkte der Trans­for­ma­tion mit Projekt­bei­spielen

Soweit das große Ganze. Doch wie funk­tio­niert das in der Praxis? Diesen Brücken­schlag voll­zogen Sophie Knittel, Ursula Karo­line Göhring und Marco Wagner in einem Wech­sel­spiel aus Theorie und Praxis.

Sophie Knittel, Trans­for­ma­ti­ons­de­si­gnerin, brachte kurze theo­re­ti­sche Impulse ein, in denen sie sich auf die zwölf Hebel­punkte der Trans­for­ma­tion von Donella Meadows „Grenzen des Wachs­tums“ bezog. Diese Ansätze ergänzten Ursula Karo­line Göhring und Marco Wagner mit passenden Projekt­bei­spielen. So veran­schau­lichten sie, wie sich Arbeits­um­felder unter kultu­rellen und räum­lich-bauli­chen Aspekten erfolg­reich trans­for­mieren lassen.

Projekt­bei­spiel Zwei-Klassen-Gesell­schaft in der Produk­tion

Hebel­punkt „Vorstel­lungs­welten verän­dern“

Zwischen Produk­tion und Verwal­tung bestehen nach wie vor Unter­schiede in Arbeits­weisen und Arbeits­um­ge­bungen. Diese betreffen nicht nur Aspekte wie Arbeits­zeit­mo­delle oder die Möglich­keiten für mobiles Arbeiten, sondern auch die Ausstat­tung – etwa bei Pausen- und Sani­tär­räumen. Viel­fach fühlen sich Produk­ti­ons­mit­ar­bei­tende als Arbeits­kräfte „zweiter Klasse“ – mit allen Konse­quenzen, die diese Vorstel­lungs­welt auf die Attrak­ti­vität von Berufs­bil­dern, Nach­wuchs­ge­win­nung und Recrui­ting hat.

Ursula Karo­line Göhring erläu­terte am Beispiel der Robert Hofmann GmbH in Lich­ten­fels, wie man der Vorstel­lung­welt einer Zwei-Klassen-Gesell­schaft in Produk­ti­ons­un­ter­nehmen entge­gen­treten kann: mit einem iden­ti­täts­stif­tenden Raum­pro­gramm, das auch in der Produk­tion attrak­tive Bespre­chungs- und Pausen­be­reiche schafft und wo immer es möglich ist, die glei­chen Möbel wie in der Verwal­tung einsetzt. Produk­ti­ons­ar­beits­kräfte fühlen sich so gleich­wertig behan­delt und wert­ge­schätzt. Das in beiden Arbeits­welten einheit­liche Erschei­nungs­bild wirkt verbin­dend und stärkt ein konstruk­tives Arbeiten auf Augen­höhe.

Projekt­bei­spiel Büro­flä­chen trans­for­mieren und attraktiv gestalten

Hebel­punkt „Funk­tionen verän­dern“

Büro und Home-Office stehen in vielen Orga­ni­sa­tionen inzwi­schen in harter Konkur­renz zuein­ander. Häufig genannte Probleme sind eine zu nied­rige Präsenz der Beleg­schaft und unaus­ge­las­tete Büro­flä­chen in kost­spie­ligen Lagen. Eine Abtei­lung der Siemens AG in München-Perlach hat sich mit dieser Situa­tion ausein­an­der­ge­setzt und über­legt, wie man darauf reagieren könnte.

Nach einer Flächen­kon­so­li­die­rung ließ sie von der rheform – Work­place­In­no­va­tion GmbH eine 900 Quadrat­meter große Pilot­fläche entwi­ckeln. Rund 600 Mitar­bei­tende haben hierzu bereichs­über­grei­fend Zugang.

Marco Wagner, Geschäfts­führer der rheform – Work­place­In­no­va­tion GmbH, erläu­terte das Beson­dere am Konzept: Auf der gesamten Fläche gibt es nur elf klas­si­sche Stan­dard­ar­beits­plätze mit Büro­stuhl und Monitor. Auf tech­nisch hohem Niveau sollte die Pilot­fläche deut­lich mehr Ambi­ente und Arbeits­platz­al­ter­na­tiven bieten, als es die Mitar­bei­tenden aus dem Home-Office oder klas­si­schen Büro kennen. Entstanden sind so unter­schied­liche Raum­lö­sungen und Arbeits­mög­lich­keiten für Aufgaben aller Art. Auf dieser Fläche möchten die Verant­wort­li­chen heraus­finden, wie Menschen und Teams in Zukunft mitein­ander arbeiten wollen, wie ihnen das am besten gelingt und was sie dafür ins Büro zieht. Als weiteres Ziel sollte die Pilot­fläche nämlich auch die Bele­gungs­quote stei­gern. Das ist gelungen.

In diesem Trans­for­ma­ti­ons­kon­text verliert das Büro seine Funk­tion als stan­dar­di­sierter Einheits­raum und wandelt sich zu einem flexi­blen Kommu­ni­ka­ti­ons­tool, das die Beschäf­tigten optimal bei ihren Aufgaben unter­stützt.

Projekt­bei­spiel agiles Arbeiten in einer Versi­che­rung

Hebel­punkt „Selbst­or­ga­ni­sa­tion und die Fähig­keit, System­struk­turen weiter­ent­wi­ckeln“

Viele Orga­ni­sa­tionen stoßen umfas­sende Verän­de­rungs­pro­zesse an, doch dann geht es nur schritt­weise und für viele Verant­wort­liche zu langsam voran. Ergeb­nisse sollen schneller vorliegen. Neue Methoden die Umset­zung unter­stützen. Beim nächsten Beispiel berich­tete Ursula Karo­line Göhring von einem Projekt für die Versi­che­rung HUK Coburg, die Arbeits­pro­zesse effi­zi­enter gestalten und schneller auf Markt­an­for­de­rungen reagieren wollte. Zu diesem Zweck setzte die Orga­ni­sa­tion für die neuen Flächen der Soft­ware-Entwick­lung auf Selbst­or­ga­ni­sa­tion und agiles Arbeiten. Den Verant­wort­li­chen war klar, dass diese Arbeits­weise in klas­si­schen Zellen­büros nicht funk­tio­nieren würde. Als Innen­ar­chi­tektin und Bera­terin für neue Arbeits­weisen entwi­ckelte Ursula Karo­line Göhring eine Pilot­fläche mit einer offenen, flexi­blen und kolla­bo­ra­tiven Arbeits­um­ge­bung, die agile Prin­zi­pien und Vorge­hens­weisen optimal unter­stützt.

Neben einer redu­zierten Anzahl an „klas­si­schen“ Arbeits­plätzen und infor­mellen Rück­zugs­mög­lich­keiten für konzen­trierte Einzel­ar­beit lag der Fokus auf Flächen für Zusam­men­ar­beit. Ob Team-Bespre­chung, Scrum-Stand-Ups oder Bereiche für Coaching, Eins-zu-eins-Austausch oder Pair-Programming – die Mitar­bei­tenden können aus verschie­denen Arbeits­um­ge­bungen genau das Umfeld wählen, das gerade am besten zu ihrer Aufgabe und persön­li­chen Vorliebe passt.

Durch die Weiter­ent­wick­lung ihrer orga­ni­sa­to­ri­schen, räum­li­chen, tech­no­lo­gi­schen und kultu­rellen Struk­turen auf dieser Pilot­fläche stärkte die Versi­che­rung die System­struk­turen der gesamten Orga­ni­sa­tion und stellt sich so auch für kommende Heraus­for­de­rungen auf. Denn nach den zwölf Hebel­punkten der Trans­for­ma­tion bildet ein weiter­ent­wick­lungs­fä­higes System die Grund­lage für Wider­stand­fä­hig­keit und ist in der Lage, nahezu jede Verän­de­rung zu meis­tern.

Projekt­bei­spiel New Work in der Kommune

Hebel­punkt „Regeln hinter­fragen und aufbre­chen“

Der Anbau war bereits geplant. Im Land­ratsamt Groß-Gerau fehlte Platz. Es sollte gebaut werden. Doch eine weitere Analyse und Konzep­tio­nie­rung der rheform – Work­place­In­no­va­tion GmbH brachte eine andere Lösung. Über eine Multispace-Umge­bung ließ sich die vorhan­dene Fläche signi­fi­kant opti­mieren und lang­fristig flexibel nutzbar machen. Für eine Behörde mit der Abtei­lung Finanz­ma­nage­ment war das ein rich­tungs­wei­sender, gera­dezu revo­lu­tio­närer Entschluss, denn diese Vorge­hens­weise brach auf unter­schied­li­chen Ebenen mit bestehenden Regeln und Glau­bens­sätzen. Marco Wagner fasste zusammen:

  • Nicht immer ist ein Neu- oder Anbau erfor­der­lich, wenn der Platz knapp wird. Ein frischer Blick und zeit­ge­mäßes Flächen­ma­nage­ment sparen Kosten und Ressourcen und fördern so die Nach­hal­tig­keit.
  • Klischees lassen sich brechen! Auch Behörden gehen mit der Zeit und sind new-work-fähig. Eine Umfrage nach dem Umzug bestä­tigte die hohe Akzep­tanz der neuen Arbeits­flä­chen seitens der Mitar­bei­tenden.
  • Selbst in Berei­chen mit sensi­blen Daten können offene Flächen und Begeg­nungs­räume geschaffen werden, die Austausch und Koope­ra­tion unter den Mitar­bei­tenden fördern.

Work­shops zum Mitma­chen: Sicht­weisen verstehen, Menschen verbinden, Trans­for­ma­tion gestalten

In der Theorie ist alles klar. Über Best-Prac­tice-Beispiele erscheint vieles einfach und nahe­lie­gend. Doch zwischen Erkenntnis und Umset­zung liegen oft große Hürden. Viel­fach stoßen Trans­for­ma­ti­ons­vor­haben in Orga­ni­sa­tionen schon zu Beginn auf Wider­stände, Unsi­cher­heiten und komplexe Prozesse.

  • Wie bringt man Menschen mit unter­schied­li­chen Posi­tionen in einen konstruk­tiven Austausch?
  • Wie gelingt ein Ausgleich zwischen oft gegne­ri­schen Lagern?
  • Welche Personen und Rollen sind entschei­dend für einen erfolg­rei­chen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess?

Diese Fragen standen im Zentrum der anschlie­ßenden Work­shops, in denen sich die Teil­neh­menden mit unter­schied­li­chen Trans­for­ma­ti­ons­sze­na­rien beschäf­tigten. In den Teams iden­ti­fi­zierten sie Wünsche, Bedürf­nisse und Ängste, die bei Menschen entstehen können, wenn sie sich und ihre Arbeits­weisen verän­dern sollen. Im empa­thi­schen Heraus­ar­beiten mögli­cher Subtexte und Stell­ver­tre­ter­themen entstand so der Blick für mögliche Anker und Schnitt­stellen, an denen ein konstruk­tiver Dialog beginnen kann. All das sind wich­tige Voraus­set­zungen, wenn ein Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess in einer Orga­ni­sa­tion von möglichst vielen Menschen erfolg­reich mitge­tragen werden soll.

Beson­ders wert­voll waren dabei die unter­schied­li­chen Bran­chen- und Erfah­rungs­hin­ter­gründe der Anwe­senden. Dies zeigte sich gerade bei den abschlie­ßenden Präsen­ta­tionen im Plenum. Sie öffneten den Raum für weiter­füh­rende Diskus­sionen nach dem offi­zi­ellen Teil und machten klar: Die Zukunft der Arbeit beginnt jetzt – mit Ideen, die bewegen und Menschen, die mitein­ander reden. Die Trans­for­ma­tion der Arbeit ist ein konti­nu­ier­li­cher Prozess. Die damit verbun­denen Aufgaben werden uns ein Leben lang begleiten. Weiterhin gibt es viel zu tun.

Fotos (sofern nicht anders ange­geben):

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