
Eine nachhaltige Immobilienstrategie für die Tagungshäuser der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB)
Eine ganzheitliche Standortentwicklungsplanung für die Zukunft der Tagungs- und Übernachtungsbetriebe
Die 16 Tagungs- und Übernachtungsbetriebe der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) stehen für Austausch, Bildung und geistliche Einkehr. In der Wirksamkeit von Kirche nehmen sie einen hohen Stellenwert ein, jedoch unter zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen: Viele Häuser tragen sich beispielsweise aufgrund stark schwankender Nachfragen nicht selbst und benötigen daher hohe Zuschüsse seitens der Landeskirche. In Teilen sind der Sanierungsbedarf und die damit verbundenen Investitionskosten sehr hoch. Gleichzeitig werden die zur Verfügung stehenden Mittel knapper, denn die Kirchen in Deutschland stehen vor einem historischen Wandel. Hochrechnungen prognostizieren für 2050 im Vergleich zu heute eine Halbierung der Kirchenmitgliedschaften und Einnahmen aus Kirchensteuern.
Weitreichende Reformen sind die Konsequenz aus dieser sich verändernden Ressourcenlage. So hat die ELKB beschlossen, ihre Gesamtausgaben für Personal und Immobilien bis 2035 um ein Drittel zu reduzieren. Im Rahmen dieses Vorhabens stellte sie auch die landesweiten Tagungs- und Übernachtungsbetriebe auf den Prüfstand und beschäftigte sich intensiv mit der Kosten-Nutzen-Relation der Häuserlandschaft. Ein zukunftsweisendes Pilotprojekt für nachhaltige Entscheidungsprozesse und Verfahrensweisen kam auf den Weg. Es richtete seinen Fokus auf die künftige Wirksamkeit von Kirche und den damit verbundenen Einsatz von Personal und Immobilien.
Bei der Frage, wie viele Immobilien die ELKB in Zukunft noch in welcher Höhe bezuschussen kann und mit welchen Schwerpunkten die verbliebenen Einrichtungen den kirchlichen Auftrag am besten erfüllen können, brachte die rheform – EntwicklungsManagement GmbH ihre Expertise ein: mit einer baulichen Analyse, einer ganzheitlichen Standortentwicklungsplanung sowie dem rheform-spezifischen Projekt‑, Kommunikations- und Datenmanagement.
Die Vorgehensweise
Von der Nutzwertanalyse zur ganzheitlichen Standortentwicklungsplanung
Bei Projektstart ging es darum, in knapp drei Monaten die 16 Betriebe mit einem Bestand von rund 100 Gebäuden in baulicher, betriebswirtschaftlicher und programmatischer Hinsicht zu analysieren. Für diese Aufgabe holte sich die Finanzabteilung im Landeskirchenamt Unterstützung durch externe Fachgutachter, darunter auch Expert:innen der rheform – EntwicklungsManagmenet GmbH. Mit dem Instrument einer erweiterten Nutzwertanalyse sollten sie die Tagungs- und Übernachtungsbetriebe überprüfen. Die Aufgabe bestand dabei ausdrücklich nicht darin, die inhaltliche Qualität der Arbeit in den Tagungshäusern zu bewerten, sondern die knapper werdenden Mittel nach einheitlichen und verantwortungsvollen Kriterien nachvollziehbar zu verteilen
Den Kirchenverantwortlichen war klar: Die stark ökonomische Ausrichtung einer reinen Nutzwertanalyse würde im kirchlichen Kontext auf erhebliche Vorbehalte stoßen. Sollte das Transformationsprojekt gelingen, musste es transparent, breit getragen und mehr als nur wirtschaftlich rentabel sein. Für die Zukunftsfähigkeit der Kirche ist es entscheidend, auch die Sichtbarkeit und Wirkung der Institution zu stärken. Aus diesem Grund wurde ein umfassenderer Ansatz konzipiert, der auch theologisch-inhaltliche Aspekte mit einbezog.
Im ersten Schritt ging es vor allem um Kostentransparenz, die bislang noch nicht vorlag. Sie erstreckte sich zum einen über das aktuelle Haushaltsbudget für Personal und Betrieb, zum anderen über die mittelfristigen Investitionen für die Sanierung aller Immobilien. So sollten auch die geschätzten Aufwendungen für die bauliche Instandhaltung über einen neuen Lebenszyklus von 25 Jahren Teil der Kostenrechnung sein. Von zentraler Bedeutung war die Information, welche Ausgaben in den kommenden Jahren anfallen, wenn alle Betriebe weiterhin wie bisher in selber Höhe bezuschusst werden. Erst auf einer so transparenten Datengrundlage lassen sich erforderliche Einsparziele ermitteln und gezielte Veränderungen planen.
Für die bauliche Analyse waren Mitarbeitende der rheform – EntwicklungsManagement GmbH zuständig. Die betriebswirtschaftliche Analyse übernahm die Krause & Böttcher Bildungsstättenberatung GmbH. Fachreferent:innen der ELKB gingen in den direkten Austausch mit den Einrichtungsleitungen und bewerteten die Programmatiken der Tagungshäuser mit ihrem breiten Spektrum an Zielgruppen und kirchlichen Handlungsfeldern.
Die Bewertung unter theologisch-inhaltlichen Aspekten stellte sich dabei als besonders anspruchsvoll heraus – sowohl in methodischer Hinsicht als auch in der Wirkung auf die internen Strukturen und das Selbstverständnis der Mitarbeitenden. Denn für dieses Ziel mussten die umfangreichen Gesprächsprotokolle aus den Befragungen der Einrichtungsleitungen methodisch aufbereitet und vergleichbar gemacht werden. Diese Aufgabe löste die rheform – EntwicklungsManamgement GmbH mit ihren Kompetenzen aus dem Projekt‑, Kommunikations- und Datenmanagement. In der Folge ließ sich auf dieser Basis ein wertschöpfender Austausch unter den Wissens- und Entscheidungsträger:innen zur Bewertung von Nutzen und Wirkung initiieren.
In der Folge kam es darauf an, die zentralen Erkenntnisse der drei Stränge „betriebswirtschaftliche Analyse“, „bauliche Analyse“ und „programmatische Ausrichtung“ ganzheitlich und nicht isoliert zu betrachten. Und zwar sowohl im Hinblick auf die einzelnen Tagungs- und Übernachtungsbetriebe mit ihren Gebäudeteilen als auch im Gesamtbild aller Einrichtungen in Form einer „Landkarte“. Für dieses Ziel empfahl die rheform – EntwicklungsManagement GmbH eine ganzheitliche Standortentwicklungsplanung. Bei komplexen Vorhaben dieser Art bietet sie zahlreiche Vorteile.

Mit einer ganzheitlichen Standortentwicklungsplanung zu einer zukunftsfähigen Immobilienstrategie
Im Mittelpunkt der strategischen Überlegungen standen zwei zentrale Aufgaben:
1. Die inhaltlich-programmatische Ausrichtung der Standorte und ihre Bedeutung für die Außenwirkung der Kirche
Hierbei ging es darum, mit welchen inhaltlichen Schwerpunkte die einzelnen Häuser aktuell auftreten und inwiefern in diesem Profil Potenziale für die künftige Außenwirkung der Kirche liegen.
Dabei standen Fragen im Fokus wie:
- Welche thematischen Inhalte werden aktuell an diesen Standorten vermittelt?
- Welche Zielgruppen werden aktuell angesprochen, und welche sollen in Zukunft erreicht werden?
- Welchen inhaltlichen Nutzwert schaffen die Programme und Angebote des jeweiligen Hauses?
- In welcher Verbindung steht das Haus im regionalen Kontext zu Angeboten und Häusern anderer Träger?
- Wie ordnet sich das Haus mit seinen inhaltlichen Angeboten in den Kontext der bayernweiten Tagungshauslandschaft der ELKB ein?
Basierend auf den Antworten wurde bewertet, wie die Standorte mit ihrer Ausrichtung, Funktion, geografischen Lage und Infrastruktur zur kirchlichen Arbeit und Strahlkraft beitragen. Ziel war es, solche Tagungs- und Übernachtungsbetriebe zu fördern, die mit ihren Programmen und Profilen künftig voraussichtlich den größten Mehrwert leisten.
2. Abschätzung der baulichen Anforderungen und langfristigen Betriebskosten
Ein weiterer Schwerpunkt war die Analyse des baulichen Zustandes, der langfristigen Betriebskosten sowie der zukünftig anfallenden Sanierungs- und Instandhaltungskosten. Für das Ziel einer perspektivisch klimaneutralen Kirche wurde auch eine energetische Bewertung in die Analyse mit einbezogen.
Hierbei ging es um Fragen wie:
- Welche Möglichkeiten bieten die Immobilien am Standort in ihrer baulich-räumlichen Aufteilung für eine zeitgemäße Nutzung?
- Welche Investitionen sind notwendig, um die Gebäude zu sanieren und an aktuelle sowie künftige Anforderungen anzupassen?
- Wie hoch sind die langfristigen Betriebskosten, und welches Ausmaß an Nachhaltigkeit lässt sich erzielen in Bezug auf Energieverbrauch und Umweltstandards?
- Welche Immobilien sind langfristig tragfähig? Welche Ressourcen benötigen sie dafür?
Die zentralen Ergebnisse
Kostentransparenz, Vergleichbarkeit und Potenzialanalyse
Die Ergebnisse aus der baulichen Analyse und betriebswirtschaftlichen Bewertung waren in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen schufen sie die notwendige Kostentransparenz, die als Grundlage für die Erstellung des zukünftigen Zuschussbudgets für die Tagungs- und Übernachtungsbetriebe diente. Zum anderen machten die Ergebnisse die baulichen Potenziale und Grenzen der einzelnen Immobilien deutlich sichtbar. Da zusätzlich jeder Betrieb auch daraufhin bewertet wurde, welchen Beitrag sein Programm zur Außenwahrnehmung und Wirkung der Kirche leistet und welche Bedeutung das Haus im regionalen Kontext erfüllt, entstand ein umfassendes Gesamtbild.
Über eine bauliche Entwicklungsplanung zu Szenarien für eine nachhaltige Tagungshauslandschaft
Ziel war es, solche Standorte zu stärken, die die kirchlichen Ziele langfristig am effektivsten fördern würden – sei es in inhaltlicher, baulicher, regionaler und finanzieller Hinsicht. Auf Basis der Analyse erarbeitete das interne Projektteam unter Führung der rheform eine Bauliche Entwicklungsplanung. Sie beinhaltet Szenarien zur Weiterentwicklung einer finanziell tragfähigen Tagungshauslandschaft der Landeskirche, einschließlich ihrer inhaltlichen Ausrichtung, regionalen Vernetzung und Gebäudenutzung. Mit dem Blick auf die Gesamtlandkarte der Tagungshäuser erwogen die Verantwortlichen, an welchen Orten die Kirche im zwingend notwendigen Schrumpfungsprozess weiterhin wirken und wahrgenommen werden soll. Und sie definierten, welche Räume und welches Personal hierfür erforderlich sind. Im Zuge dieser Überlegungen entwickelte sich ein regional-symbiotisches Denken: Das Schließen eines Hauses soll nicht zwangsläufig einen Rückzug aus der Region bedeuten. Vielmehr setzte sich die Erkenntnis durch, dass die ELKB für ihre Präsenz nicht überall eigene Gebäude unterhalten muss, sondern dass ihre Akteur:innen sich auch in andere Häuser einbuchen können.
Über ein Realisierungskonzept zu einer realistischen Zeit- und Kostenlogik mit Gestaltungsspielraum
Nach Vorlage aller Szenarien erfolgte ein Vergleich und eine Bewertung unter den Aspekten Funktion, Form, Zeit, Kosten und Nachhaltigkeit. Die Ergebnisse dieser Analyse spielten eine entscheidende Rolle, wie die künftige Tagungshauslandschaft mit optimalen Standorten, Angeboten und personellen Ressourcen gestaltet werden sollte. Aus drei ausgearbeiteten Szenarien entstand die Skizze für ein Realisierungskonzept. Das Papier beschreibt konkrete Maßnahmen zur kurz- bis mittelfristigen Umsetzung für ausgewählte Immobilien und Standorte mit einer realistischen Zeit- und Kostenlogik. Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen eröffnete sich ein bemerkenswerter Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Dieser erlaubte es, den Einsatz von Personal- und Immobilienressourcen effizient und nachhaltig zu gestalten und dabei die künftig verfügbaren Mittel im Sinne der Institution optimal zu nutzen.
In der Folge beschlossen die Verantwortlichen der ELKB, die weiteren Entscheidungsprozesse stufenweise zu gestalten und fortlaufend weiter zu verfeinern. Die Standortentwicklungsplanung dient dabei als ein „lebendiges Planungsinstrument“, das flexibel auf neue Entwicklungen reagiert und so eine nachhaltige Ausrichtung der Tagungshauslandschaft gewährleistet. In diesem Zusammenhang einigten sich die Verantwortlichen auf die Vorgehensweise, dass sich die einzelnen Häuser durchaus auch stärker selbst profilieren können und für ihre Refinanzierung zunehmend eigenständig wirtschaften sollen. Perspektivisch werden sich so die finanziellen Zuschüsse durch die Landeskirche noch flexibler und bedarfsgerechter gestalten lassen. Auf diese Weise entsteht langfristig eine noch werthaltigere Verteilung der knappen Ressourcen.
Ergebnis
Mit dem Instrument einer ganzheitlichen Standortentwicklungsplanung hat die ELKB einen Weg gefunden, wie sie zum einen ihr Profil und den kirchlichen Auftrag bewahren und zum anderen die notwendige Haushaltskonsolidierung für ihre Tagungshauslandschaft schrittweise weiter betreiben kann. Im Ergebnis beschloss sie eine stufenweise Transformation der Tagungs- und Übernachtungsbetriebe. In Zukunft konzentriert sie ihre Zuschüsse auf weniger Einrichtungen:
- Fünf Tagungs- und Übernachtungsbetriebe erhalten eine Bestandsgarantie bis zum Jahr 2030.
- Fünf Häuser werden vorerst weiter betrieben wie bisher, mit der Maßgabe, bewusst und auskömmlich zu wirtschaften.
- Ein großes Haus wird in eine andere Trägerschaft übergeben.
- Ein Standort mit großem Potenzial wurde im Sommer 2024 freigezogen. Die Liegenschaft verbleibt als Entwicklungsprojekt bei der Landeskirche.
- Ein bereits geschlossenes Haus wird abgebrochen. Die laufende Projektentwicklung an einem anderen Standort wird eingestellt.
- An zwei etablierten Standorten erhalten die Verantwortlichen den Auftrag, das inhaltliche Profil ihrer Einrichtungen zu schärfen und neu auszurichten.
Fazit
Bei dem Projekt zur Immobilienstrategie für die Tagungs- und Übernachtungsbetriebe der ELKB handelt es sich neben dem neuen Ausbildungskonzept „Vikariat 2026“ um ein weiteres, richtungsweisendes Beispiel, wie die Landeskirche in herausfordernden Zeiten strategische Steuerungsinstrumente etabliert.
Auch dieses Projekt hat gezeigt, dass sich die strukturell-organisatorischen und räumlich-baulichen Bestandteile eines Transformationsprozesses gegenseitig beeinflussen. Der Umgang damit erfordert eine ganzheitliche Planung, wenn es darum geht, die Ressourcen für Personal und Immobilien zu berechnen und diese Ergebnisse in verlässliche Haushaltsposten und Zuschüsse zu überführen, die in Einklang mit den Zielen der Organisation stehen. Christian Kopp, Landesbischof der ELKB, betonte bei der Erläuterung der Vorgehensweise: „Wir wollen weniger in Steine investieren, aber mehr für die Menschen erreichen.“ Beim Thema Immobilien geht es seinen Worten zufolge künftig darum, „was man noch an Steinen braucht, um Inhalte gut umsetzen zu können.“
Eine strategische Standortentwicklungsplanung (SEP) bietet dafür eine umfassende Verfahrensweise. Mit einem Konzept dieser Art lässt sich auch die bauliche und immobilienwirtschaftliche Entwicklung einer Landeskirche und seiner Gebäude mittel- und langfristig steuern und zukunftsfähig gestalten.
Weitere Informationen
Foto: Evangelisches Kloster Schwanberg
Sorry, the comment form is closed at this time.