Alles New Work

Ideen­werk­statt für die Arbeits­kultur von morgen

Veran­stal­tung im Digi­talen Grün­der­zen­trum in Bamberg

Die Reso­nanz auf die Einla­dung war über­wäl­ti­gend. Das Digi­tale Grün­der­zen­trum „Lagarde1“ in Bamberg brummte. Rund 60 Menschen aus unter­schied­li­chen Orga­ni­sa­tionen, Berufen und Hier­ar­chie­stufen waren gekommen und beschäf­tigten sich einen Abend lang mit der Arbeits­kultur von morgen.

Die Veran­stal­tung „Alles New Work, oder was?“ war ein Gemein­schafts­pro­jekt von Marco Wagner und Prof. Jennifer Gunkel von der rheform – Work­place­In­no­va­tion GmbH, Innen­ar­chi­tektin Ursula Karo­line Göhring von GOEH­RING INNEN­AR­CHI­TEKTUR (GOIA) sowie Axel Kummer und Matthias Gotz von der meta­fi­nanz Busi­ness & IT Consul­ting. Schon länger sind die Fünf mitein­ander im Austausch zu New Work-Themen und bringen an verschie­denen Stellen Dinge voran. Die Idee, das gemein­same Wissen mit einer größeren Gruppe Menschen zu teilen und nutzbar zu machen, haben sie jetzt im Co-Working-Space „Lagarde1“ in ein Format gegossen. Im Fokus stand ein bran­chen­über­grei­fender Austausch über die Viel­falt der unter­schied­li­chen New Work-Ideen und wie sich einzelne Prin­zi­pien in den beruf­li­chen Alltag inte­grieren lassen. Dabei ging es um Fragen, wie…

  • …kultu­reller Wandel und digi­tale Trans­for­ma­tion gelingen,
  • …Menschen Heraus­for­de­rungen eigen­ver­ant­wort­lich meis­tern,
  • …Raum und Ressourcen effi­zient und nach­haltig genutzt werden,
  • …Fach­kräf­te­mangel zum Problem anderer wird und
  • …warum New Work kein Buzzword ist, sondern ein Werk­zeug für Unter­neh­mens­er­folg.

Dyna­mi­scher Austausch bei der Veran­stal­tung zum Mitma­chen

Ein bunter Mix aus Praxis­bei­spielen, Kurz­im­pulsen, inter­ak­tiven Abfragen und Austausch in Arbeits­gruppen brachte Dynamik in den Abend und die Menschen unter­ein­ander ins Gespräch.

Wo bei dem breiten Themen­spek­trum der Schuh bei den Anwe­senden ganz beson­ders drückt, illus­trierte eine anfangs erho­bene Menti­meter-Umfrage. Von digi­taler Trans­for­ma­tion über Präsenz­pflicht im Büro bis hin zum demo­gra­fi­schen Wandel war alles dabei.

Welche “New Work”-Themen beschäf­tigen Sie gerade beson­ders?

76 Antworten

Die Heraus­for­de­rungen in der Arbeits­welt der Gegen­wart und Zukunft

Schnell wurde auch in Bamberg klar: Die Heraus­for­de­rungen in der Arbeits­welt der Gegen­wart und Zukunft sind viel­fältig und sie beschränken sich schon längst nicht mehr auf einzelne Orga­ni­sa­tionen oder Regionen. Darauf wies Marco Wagner in der Eröff­nung hin, als er auf die vielen verwaisten Büro­flä­chen zu spre­chen kam, die in Folge von Home-Office und verän­derten Ansprü­chen an Raum und Tech­no­logie entstanden. So rechnet beispiels­weise ein Bera­tungs­un­ter­nehmen bis 2025 in den sieben größten Städten Deutsch­lands mit einem Leer­stand von knapp acht Millionen Quadrat­me­tern (Quelle: Manager Magazin 2/2024). Eine Zahl, die unter Nach­hal­tig­keits­aspekten und ange­sichts hoher Mieten im urbanen Raum durchaus zum Nach­denken und Handeln aufruft.

Flexi­bi­lität, digi­tale Trans­for­ma­tion und lebens­langes Lernen: New Work-Infos und Mini-Work­shops zur Arbeits­welt von morgen

Wie kann sie also funk­tio­nieren – die neue Arbeits­welt mit ihren Ansprü­chen an Flexi­bi­lität und Nach­hal­tig­keit, in der Menschen die Heraus­for­de­rungen der digi­talen Trans­for­ma­tion meis­tern, Sinn finden und eigen­ständig lebens­lang lernen?

Eine inhalt­liche Start­rampe dazu baute Jennifer Gunkel, Bera­terin bei der rheform und Profes­sorin für ange­wandte Psycho­logie und Psycho­logie neuer Arbeits­formen. Sie gab einen kurzen Über­blick zu den gängigen Deutungs­mus­tern von „New Work“ und nannte fünf zentrale Hand­lungs­felder, die sowohl in der Forschung als auch in der Bera­tungs­praxis immer wieder genannt werden:

  • Flexi­bi­lität hinsicht­lich Zeit, Ort und Raum
  • Selbst­be­stim­mung und Eigen­ver­ant­wor­tung
  • Sinn und Purpose
  • Digi­ta­li­sie­rung und Tech­no­logie
  • Weiter­bil­dung und lebens­langes Lernen

Aufge­teilt in fünf Arbeits­gruppen tauschten sich die Anwe­senden zu diesen Themen mit einer Mode­ra­tion im klei­neren Kreis aus. Die Beiträge waren viel­schichtig, bisweilen konträr aufgrund unter­schied­li­cher Bran­chen- und Erfah­rungs­hin­ter­gründe, doch in Summe stets respekt­voll und konstruktiv. So teilten die Teilnehmer:innen der Work­shops Erfah­rungen und gaben einander Tipps. Sie spra­chen über Konflikte, Unsi­cher­heiten und Erwar­tungen und lernten sich so gleich­zeitig näher kennen.

Best-Prac­tice-Beispiel: Von der Matrix-Hier­ar­chie ins dezen­trale Netz­werk

Wie ein anspruchs­volles Change-Projekt in der Praxis gelingen kann, erläu­terten anschlie­ßend Axel Kummer und Matthias Gotz von der meta­fi­nanz Busi­ness & IT Consul­ting. Sie berich­teten, wie dem Unter­nehmen, einer ehemals hier­ar­chi­schen Matrix-Orga­ni­sa­tion, vor acht Jahren der Wechsel in weit­ge­hend selbst­or­ga­ni­sierte Teams gelungen ist – mit mehreren hundert Mitar­bei­tenden und inner­halb einer sehr kurzen Zeit­spanne von nur drei Monaten. Der Ausgangs­punkt für diesen radi­kalen Wandel war unter­neh­me­risch begründet. Die Renta­bi­lität war nicht mehr zufrie­den­stel­lend, der Wett­be­werb dyna­mi­scher. Der Geschäfts­füh­rung musste handeln und sah eine Perspek­tive in selbst­or­ga­ni­sierten Teams, die schneller auf den Markt und Kunden­an­liegen reagieren können. 70 Führungs­kräfte aus zwei Führungs­ebenen verloren in der Folge zwar ihre Rolle, jedoch nicht ihre Jobs. Das gesamte Unter­nehmen stellte sich ohne Orga­ni­gramm neu auf – in auto­nome Teams ohne Vorge­setzte mit „Ende-zu-Ende-Verant­wor­tung“, wozu auch Akquise, Profi­ta­bi­lität, Sales und Perso­nal­themen zählen. Der Change war „eine große Wette“, so Kummer, „doch der Schritt hat uns wieder wett­be­werbs­fähig gemacht.“

Schnell entstand im Plenum eine ange­regte Diskus­sion mit zahl­rei­chen Nach­fragen zum Orga­ni­sa­ti­ons­mo­dell und seiner Umset­zung in einem so großen Unter­nehmen.

Ein wesent­li­cher Erfolgs­faktor für das nach­hal­tige Gelingen eines so ambi­tio­nierten Vorha­bens – da sind sich die beiden Refe­renten einig – liegt in guter Kommu­ni­ka­tion und guter Zusam­men­ar­beit. „Wir arbeiten weniger nach Regeln als nach Prin­zi­pien“, erklärte Matthias Gotz und Axel Kummer führte aus: „Projekte schei­tern immer wieder an der mensch­li­chen Kommu­ni­ka­tion, KI kann nur begrenzt entlasten. Und auch bei uns menschelt es. Persön­liche Konflikte über­la­gern alles. Wir können uns nicht davor drücken, Probleme zu lösen.“

Zurzeit hat die meta­fi­nanz rund 900 Mitar­bei­tende, die in 80 Teams, soge­nannten „Busi­ness Areas“, tätig sind. Die Trans­pa­renz im Unter­nehmen ist sehr hoch. Die Geschäfts­zahlen liegen offen und können nahezu in Echt­zeit von allen einge­sehen werden. Insbe­son­dere junge Talente schätzen die Arbeits­weise, weil sie von Anfang an eine hohe Mitge­stal­tung haben und schnell in Verant­wor­tung kommen. Der Wert, eigen­ver­ant­wort­lich und „anders“ arbeiten zu können, sorgt außerdem für eine hohe Rück­keh­rer­quote.

Eine viel­sei­tige Büro­land­schaft bietet der meta­fi­nanz-Beleg­schaft über mehrere Etagen Räume für unter­schied­liche Bedürf­nisse und Arbeits­weisen. Wie das gesamte Veran­stal­tungs­team sieht auch Axel Kummer im Büro heute einen Ort der Begeg­nung und Co-Crea­tion, einen Ort, der Menschen kreativ werden lässt und in den Flow bringt. Arbeit muss sich seiner Meinung nach um den Menschen neu orga­ni­sieren. Auf diese Weise lässt sich im nächsten Schritt ein zukunfts­fä­higes Arbeits­er­lebnis für Beschäf­tigte und Unter­nehmen herstellen. Eine Haltung, die auch die rheform – Work­place­In­no­va­tion in ihrer Arbeit immer wieder ins Zentrum stellt.

New Work im Raum: Gestal­tungs­kon­zept für den Co-Working-Space „Lagarde1“

Über den ganzen Abend, prak­tisch „on the flow“, erlebten die Anwe­senden ganz persön­lich, was für eine wich­tige Rolle der Raum für das Gelingen von Austausch und Begeg­nung spielt. Im Fall des Digi­talen Grün­der­zen­trums „Lagarde1“ erläu­terte Ursula Karo­line Göhring das von ihr und ihrem Team entwi­ckelte und umge­setzte Gestal­tungs­kon­zept, das sich eng an die Historie als ehema­lige Reiter­ka­serne anlehnt. Nach einer Nutzung durch die US Army stand das Gebäude nach deren Abzug leer und verfiel. Mit staat­li­cher und kommu­naler Unter­stüt­zung wurde der Indus­trie­brache auf rund 2000 Quadrat­me­tern neues Leben einge­haucht. Das gelang so gut, dass das Projekt für die Gestal­tung und Umset­zung das Label „Best Workspace 2024“ erhielt.

Die Konzep­tion orien­tiert sich an den Prin­zi­pien der Neuen Arbeits­welten. Sie hatte das Ziel, ein indi­vi­du­elles, atmo­sphä­ri­sches Raum­kon­zept zu schaffen, das die Inno­va­ti­ons­kraft und Leis­tungs­per­for­mance von Unter­nehmen stei­gert. Mit den Themen „Pferd“, „Reiten“ und “Pfer­de­stärken” entstand ein meta­pho­ri­scher Brücken­schlag zwischen Vergan­gen­heit und Zukunft. Das Gestal­tungs­kon­zept soll die Nutzenden dazu anregen, ihre krea­tiven und unter­neh­me­ri­schen Poten­ziale auszu­schöpfen und ihre “PS auf die Straße” zu bringen.

Die begeis­terten Rück­mel­dungen auf den Abend haben gezeigt: Das Thema „New Work“ ist weiterhin aktuell und noch lange nicht auser­zählt, wenn man es ernst nimmt. Es kommt darauf an, mitein­ander zu reden, vertrau­ens­vollen Austausch zu schaffen und Perspek­tiven zu eröffnen, die der Viel­falt unserer Gegen­wart und Zukunft gerecht werden.

Heute bietet „Lagarde1“ auf zwei Stock­werken Gründer:innen und Projektpartner:innen New Work-Arbeits­flä­chen vom Feinsten: flexible Raum­struk­turen, unter­schied­liche Raum­an­ge­bote für Tätig­keiten aller Art und ein inspi­rie­rendes Ambi­ente, das in immer wieder neuen Konstel­la­tionen Lust zum mitein­ander Denken, Entwi­ckeln und Gestalten weckt.

Insbe­son­dere nach den vielen posi­tiven Rück­mel­dungen ist sich das Veran­stal­tungs­team von „Alles New Work, oder was?“ einig: Das Format soll auf jeden Fall fort­ge­führt werden. Die Ideen­werk­statt schmiedet also weiter an Impulsen für die Arbeits­kultur von morgen. Es gibt noch viel zu tun.

Fotos:

Lagarde1
rheform
Gerhard Hagen

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