Kostenoptimierende Bedarfsplanung für Immobilien
Belastbare Grundlage für Investitionsentscheidungen in F&E
Erschienen Juli / August 2007 in
Wissenschaftsmanagement
Ausgabe 4/2007
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Budgetüberschreitungen beim Bauen sorgen regelmäßig für Streit und Ärger. Am Ende sind ungeachtet großer Investitionen in Bezug auf Zeit und Geld sowie unzähliger Diskussionen im Vorfeld noch nicht einmal die Nutzer des Gebäudes rundum zufrieden. So ist es nicht verwunderlich, dass der Handlungsdruck steigt und der Wunsch bei manch einem der Beteiligten nach einer kostenoptimierenden Bedarfsplanung, die bestenfalls gleich im Konsens erfolgt, ins nahezu Unermessliche wächst. Eine Utopie? Nein, denn bereits heute belegen zahlreiche Praxisbeispiele, dass das Vernetzen von Methoden und Werkzeugen der Organisationsplanung mit dem Wissen von Bauplanern und einem spezifischen Kommunikationsmanagement schon im Vorfeld von Baumaßnahmen einerseits optimale Arbeitsbedingungen schafft und andererseits die Flexibilität und Effizienz einer Immobilie über deren gesamten Lebenszyklus verbessert. Insbesondere auch im Bereich von Wissenschaft und Forschung. Dies belegt auch die erfolgreich abgeschlossene Standortprüfung im Auftrag der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Dipl.-Ing. Joachim Heintze
Geschäftsführender Gesellschafter der rheform GmbH
Im Fokus der gutachterlichen Standortprüfung der landwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsstationen (LFS) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn stand die mögliche Zusammenlegung von drei Standorten. Im Detail ging es um fünf Forschungseinheiten mit insgesamt 45.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche (BGF), 50 Gebäuden mit Labor‑, Produktions‑, Lager‑, Ver- und Entsorgungs- sowie Büroflächen und über 50 Mitarbeitern. Ziel war es einerseits den Ressourceneinsatz zu optimieren und andererseits die Kooperation der Einheiten auf wissenschaftlicher und technischer Ebene zu verbessern. Die Kosten für mögliche Umzüge, Provisorien und gegebenenfalls Doppelbetrieb waren dabei so gering wie möglich zu halten.
Ein-Standort-Lösung im Konsens
Zur Diskussion standen fünf Optionen: von der Beibehaltung der bisherigen Standorte bis hin zur vollständigen Zusammenlegung an einem dieser Standorte. Aus Betreiber- und auch aus Nutzersicht stand von Anfang an fest, dass ein neutrales Gutachten einen externen Dienstleister voraussetzt. Kristina Kornmesser, stellvertretende Kanzlerin und technische Dezernentin der Universität, die den Betreiber vertritt und Professor Gerhard Schiefer, der als Direktor der LFS die Nutzer repräsentiert, wollten mit einem Außenstehenden arbeiten, der einen unverbauten Blick auf das Thema Landwirtschaft hat, um sich mit Tätigkeitsfeldern wie Tierhaltung und Pflanzenversuchen objektiv auseinandersetzen zu können. Nach einer ersten theoretischen Erörterung der verschiedenen Modelle fokussierte der Auftraggeber die „Ein-Standort-Lösung“. Die Bedarfsplanung, die sich daran anschloss dauerte knapp vier Monate. Sie führte zu Ergebnissen, die durchgängig gemeinsam erarbeitet und verabschiedet wurden: mit 40 Wissens- und Entscheidungsträgern aus Hochschulleitung, Verwaltung, Forschungsdirektorium, Fakultät und Instituten sowie den Mitarbeitern der fünf Forschungseinheiten und dem Personalrat. Am Ende herrschte Einigkeit über die Auswahl des Standorts, die Reduzierung des Personals um 26 Prozent im Verlauf von 15 Jahren sowie die Gebäudeflächenreduktion um 37 Prozent.
Integrale Vorgehensweise
Die integrale Vorgehensweise der kostenoptimierenden Bedarfsplanung, die dahinter steckt, mutet auf den ersten Blick nahezu banal an. Im Vorfeld von Bauprojekten hat sie sich immer wieder als höchst effizient erwiesen. Warum? Weil durch die Einführung einer Projekt-Organisation, in der alle Interessensvertreter an der Ziel-Definition und an der Bewertung von Lösungsansätzen beteiligt sind und durch die regelmäßige direkte Rückkopplung der planerischen Erkenntnisse eine frühzeitige Kompromissbildung unter den Beteiligten tatsächlich möglich ist. Um einen tragbaren Kompromiss in der Beschreibung der Anforderungen an die Bauaufgabe im Rahmen der Ziel-Definition fixieren zu können, muss der Bedarfsplaner vier Aufgaben wahrnehmen:
- Ein gleiches Selbstverständnis der Ziele unter allen Beteiligten schaffen,
- Grundlagen erfassen, aufbereiten und gegebenenfalls fortschreiben,
- Lösungsansätze und ‑konzepte entwickeln,
- Alternativen und Varianten bewerten.
Die Bedarfsplanung vernetzt Projekt- und Kommunikationsmanagement und funktioniert bei Spezialimmobilien wie Produktionsgebäuden, historischen und Forschungsgebäuden, bei Schulen und Hochschulen ebenso wie bei Verwaltungsbauten. Dabei gibt es unterschiedliche Aufgabenstellungen und Profile. Insofern ist es wichtig, Methoden und Tools für die strukturelle und bauliche Analyse einerseits, für die strukturelle und bauliche Entwicklung andererseits zu nutzen, die neben der standardisierten auch eine projektspezifische Arbeitsweise und Auswertung zulassen. Mit dem Anspruch, optimale Arbeitsbedingungen im Spannungsfeld der Zielaspekte wie Funktion, Form, Zeit und Kosten zu schaffen.
Verknüpfen, Überlagern und Vernetzen der Prozesse
Konventionell würde ein Projekt wie die Standortpruüfung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn von und mit den unterschiedlichen Beteiligten nacheinander, sprich Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Es entstehen Schnittstellen, die im Projekt in der Regel zu Zeit- und Kommunikationsverlusten führen. Die kostenoptimierende Bedarfsplanung wählt einen anderen Ansatz: Das Verknüpfen, Überlagern und Vernetzen der Prozesse – unter Einsatz von einfachen, projektspezifischen Softwaretools und Befragungs- und Auswertemethoden – führt schnell zu transparenten Ergebnissen und zu einer einheitlichen, fundierten Datenbasis für die frühe Abstimmung und konsensfähige Entscheidungsfindung. Reale und mögliche Wechselwirkungen werden kontinuierlich iterativ optimiert.
Bedarfsplanung nach DIN 18205
„Bedarfsplanung im Bauwesen umfasst das methodische Ermitteln der Bedürfnisse von Bauherren und Nutzern; deren zielgerichtetes Aufbereiten als ‚Bedarf’ und dessen Umsetzung in bauliche Anforderungen.“ Rahmenbedingungen, Ziele und Mittel von Bauherren und Nutzern als Definition eines Anforderungsprofils an das Kontraktgut Immobilie beschreibt DIN 18205. Einzelne Elemente der Bedarfsplanung sind Bestandteil der klassischen Projektentwicklung, insbesondere des Corporate Real Estate Management. Eine umfassende Bedarfsplanung sollte Grundlage von Planungs-Wettbewerben sein, kann dem Portfolio-Management dienen und ist letztlich notwendige Voraussetzung für erfolgreiche Projekte in Public Private Partnerships (PPP).
Gleich zu Beginn der Standortanalyse in Bonn gab es ein Kick-off-Meeting mit allen Interessensvertretern, um individuelle, mit dem Projekt verbundene Ziele, Funktionalitäten sowie den Zeit- und Kostenrahmen zu definieren. Es folgten Einzelgespräche mit den Wissens- und Entscheidungsträgern. Sämtliche Daten und Fakten wurden aufbereitet und dokumentiert: in Form visueller Protokolle, Grafiken und Tabellen. Im Rahmen der folgenden, IT-gestützten strukturellen Analyse und Entwicklungsplanung wurden sowohl Personalinformationen (Stellen, Personen, Aufgaben, Tätigkeiten) als auch Ist-Flächen und ‑Räume erfasst und daraus Soll-Flächenbedarf sowie Kosten abgeleitet. Die Ergebnisse wurden erneut in Workshops diskutiert und verabschiedet. Auf den verfügbaren Bestandsdaten und zusätzlich recherchierten Daten des Beraterteams basierend, erfolgte die bauliche Analyse zur Bewertung der Gebäude und Liegenschaften. Die Sanierungskosten und die Bauunterhaltungskosten wurden nach Inaugenscheinnahme kalkuliert. Die Bestandsflächen wurden nach nutzungs- und kostenspezifischen Kriterien zu fünf Flächenartenkategorien zusammengefasst. Im IT-Belegungstool wurde der ebenso strukturierte Flächenbedarf im Bestand oder Neubauten abgebildet. Aus der Gegenüberstellung von Ist- und Neubelegung lassen sich belastbare Kostenschätzungen ableiten. Die Informationen zu Gebäudeflächen, Bauteilmassen und den für notwendig erachteten bauteilbezogenen Sanierungsmaßnahmen sind maßnahmenbezogen beliebig bis „in den Raum hinein“ detaillierbar und die Software ermöglicht die Nutzung der Daten bei Bedarf auch für die im Betrieb verantwortlichen Facility Manager.
Bedarfsplanung: einfache, aber wirkungsvolle Methodik
Prinzipiell beurteilt der Bedarfsplaner eine bauliche Situation aus einer anderen Perspektive als beispielsweise ein Architekt. Ist ein Neubau gefragt, kann es sein, dass er ihn zunächst komplett in Frage stellt. Stattdessen analysiert er gemeinsam mit Nutzer, Betreiber und/oder Bauherr die Personal- und Flächensituation und den Bedarf. Er stellt Entwicklungsszenarien auf und untersucht die mögliche Organisationsstruktur auch im Hinblick auf die nächsten Jahre. Er bewertet die vorhandenen Gebäude‑, Nutzungs- und Belegungsstrukturen und bauliche Zustände. Aus der überlagerung der strukturellen und baulichen Anforderungen mit den Potenzialen des Bestandes lassen sich verschiedene Konzepte mit den damit verknüpften Kosten entwickeln. Diese wiederum werden mit möglichst vielen Projektbeteiligten diskutiert. Daraus kann am Ende immer noch eine Neubauplanung folgen, was jedoch nicht zwingend ist. Grundsätzlich ist es wichtig, Methoden und Tools für die strukturelle und bauliche Analyse einerseits, für die strukturelle und bauliche Entwicklung andererseits zu nutzen, die neben der standardisierten auch eine projektspezifische Arbeitsweise und Auswertung zulassen. Deshalb steht am Anfang eine detaillierte Dokumentation mit Texten und Grafiken, die Ziele, Grundlagen, Aussagen, Zahlen, Fakten, Konzepte und Ergebnisse nachvollziehbar widerspiegelt. Sie baut auf visuellen Protokollen und einem Mix aus Workshops und Einzelgesprächen mit allen Projektbeteiligten auf. Die transparente Vorgehensweise ist Grundlage des stets angestrebten Konsens zwischen den oft gegensätzlichen Interessen von Nutzer, Betreiber, Investor, Bauherr und Planer.
Fazit
Ein Zwischenbericht dokumentiert das Projekt lückenlos und strukturiert: vom Auftrag über die verschiedenen Szenarien, sämtliche Analyseergebnisse bis hin zu den Ergebnissen, von den so genannten „Softfacts“, den visuellen Protokollen der Workshops bis hin zum Wirtschaftlichkeitsvergleich sowie der Zusammenfassung und abschließenden Empfehlung für die Standortentwicklung. Ergänzt um den Input aus einer weiteren Feedbackrunde und Abstimmung mit den Entscheidungsträgern wird daraus der Schlussbericht. Hier findet sich auch der Kostenbedarf. Den Ausgaben für Grunderwerb und Baumaßnahmen werden die potenziellen Einnahmen aus Immobilienverkäufen auf Grundlage einer Wertermittlung entgegengestellt. Auf die landwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsstationen (LFS) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn übertragen bedeutet dies: unter Berücksichtigung der Betriebskosten für Personal und Bauunterhalt über 25 Jahre beträgt die Einsparung beim Ein-Standort-Konzept verglichen mit der Ist-Situation rund 41 Prozent. Das von allen gemeinsam getragene Ergebnis und die transparente Vorgehensweise über das gesamte Beratungsprojekt haben Betreiber und Nutzer überzeugt. Dafür steht nicht zuletzt auch die Aussage von LFS-Direktor Gerhard Schiefer: „Wir hatten erwartet, mit den Ergebnissen intern auf diverse Widerstände zu stoßen. Stattdessen wird das Gutachten von allen akzeptiert, auch von denen, für die es erhebliche Veränderungen bedeutet.“
Bildnachweis
Foto Joachim Heintze: rheform
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