Wie werden Hoch­schulen inno­va­ti­ons­fähig?

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Ausgabe 2025 – 75 Jahre Deut­scher Hoch­schul­ver­band

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Dr. Cindy Konen hat ein ideal­ty­pen­ba­siertes Modell zur Analyse der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit von Hoch­schulen entwi­ckelt.

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Dr. Cindy Konen

Ist neben ihrer Lehr­tä­tig­keit an der Fach­hoch­schule Dort­mund auch als Bera­terin und Projekt­lei­terin für die rheform – Entwick­lungs­Ma­nage­ment GmbH tätig.

Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit als Black Box?

An Hoch­schulen (Univer­si­täten und Fach­hoch­schulen) können Inno­va­tionen in den verschie­densten Berei­chen entstehen. Sie umfassen u. a. Forschungs­in­no­va­tionen, Trans­fe­r­in­no­va­tionen, Lehr­in­no­va­tionen und Verwal­tungs­in­no­va­tionen. Sie können sich ausschließ­lich auf die Hoch­schule selbst fokus­sieren oder durch eine Koope­ra­tion mit Unter­nehmen entstehen.

Damit eine Inno­va­tion entsteht, benö­tigt es jedoch eine zugrunde liegende Fähig­keit, die soge­nannte Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit. Die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit entfaltet dann ihr volles Poten­zial, wenn Innovateur:in und geeig­nete inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen aufein­an­der­treffen. Doch genau hier besteht auch ein Knack­punkt. Noch agieren die Hoch­schul­mit­glieder häufig als Innovateur:innen mit nur geringer Unter­stüt­zung durch geeig­nete inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen. Dadurch entfaltet sich das volle Inno­va­ti­ons­po­ten­zial einer Hoch­schule meist nicht.

Um Hoch­schulen hierbei zu unter­stützten, sollen in diesem Beitrag Ansatz­punkte zur Steue­rung der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit aufge­zeigt werden. Im Fokus steht die Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­tion mit Unter­nehmen. Dazu werden ausge­wählte Ergeb­nisse aus einer von Dr. Cindy Konen durch­ge­führten Fall­studie vorge­stellt. Im Rahmen der Fall­studie wurden Single- und Cross-Case-Studies an insge­samt acht deut­schen Hoch­schulen durch­ge­führt. Hierbei handelt es sich um drei staat­liche Univer­si­täten, drei staat­liche Fach­hoch­schulen und zwei private Univer­si­täten. An den Hoch­schulen wurden mehrere Analy­se­ob­jekte in den Fokus genommen. Zu den Analy­se­ob­jekten gehören Doku­men­ten­ana­lysen, aber auch Expert:inneninterviews mit Führungs­kräften trans­fer­un­ter­stüt­zender Einheiten und Professor:innen aus dem Fach­be­rei­chen Wirt­schafts­wis­sen­schaften (inkl. Wirt­schafts­in­for­matik) und Maschi­nenbau.

Die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit einer Hoch­schule ergibt sich aus der Summe der indi­vi­du­ellen Inno­va­ti­ons­fä­hig­keiten der Hoch­schul­mit­glieder

In bishe­rigen Unter­su­chungen wird die Innovations‑, aber auch die damit eng in Verbin­dung stehende Transfer- und Forschungs­fä­hig­keit einer Hoch­schule maßgeb­lich aus einer Top-down-Perspek­tive auf Basis einer Analyse der Rahmen­be­din­gungen und meist aus der Sicht der Hoch­schul­füh­rung fest­ge­legt. Dadurch wird eine gleich­för­mige Ausprä­gung inner­halb der gesamten Hoch­schule impli­ziert. Der Alltag in Hoch­schulen sieht aller­dings anders aus. Während einige Mitglieder vorrangig mit dem Inno­va­ti­ons­ge­schäft beschäf­tigt sind, haben Inno­va­tionen für andere neben den Aufgaben Forschung und Lehre eine begrenzte Bedeu­tung und für andere wiederum nehmen sie nur eine unter­ge­ord­nete Rolle ein. Das Ausmaß, in dem die Mitglieder ein und derselben Hoch­schule als Innovateur:innen tätig sind, vari­iert also beträcht­lich. Folg­lich benö­tigt es Ansätze, die diese Viel­fäl­tig­keit wider­spie­geln können.

Diesem Ziel hat sich die Fall­studie von Dr. Cindy Konen gewidmet, indem sie die klas­sisch gewählte Top-down-Perspek­tive mit dem Handeln der Hoch­schul­mit­glieder als Innovateur:innen und damit einer Bottom-up-Perspek­tive verknüpft. Dadurch wird die häufig implizit ange­nom­mene Per-Se-Wirk­sam­keit inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zender Rahmen­be­din­gungen infrage gestellt. Statt­dessen wird zusätz­lich analy­siert, ob diese einer­seits von den Hoch­schul­mit­glie­dern als geeignet empfunden werden und ander­seits aufgrund dessen ihre Inno­va­ti­ons­be­mü­hungen stei­gern.

Klas­si­fi­zie­rung der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit mittels Hoch­schu­lide­al­typen

Als Ergebnis der Fall­studie konnten hinsicht­lich der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit vier verschie­dene Hoch­schu­lide­al­typen abge­leitet werden.

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In der tradi­tio­nellen Hoch­schule handelt die Professur weder als um Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­tionen bemühte Innovateur:in noch sind inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen imple­men­tiert. Der/​die Professor:in glaubt weder daran, mittels Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­tionen die intrin­si­sche Moti­va­tion befrie­digen zu können, noch erstre­bens­werte Hand­lungs­folgen, wie z. B. eine Repu­ta­ti­ons­stei­ge­rung errei­chen zu können.

In der ambi­tio­nierten Hoch­schule sind zwar viele inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen imple­men­tiert, aber die Professur wird dennoch nicht als Innovateur:in tätig. Hinsicht­lich der Rahmen­be­din­gungen bietet die Hoch­schule der Professur entweder solche, die nicht geeignet sind zu Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­tionen anzu­reizen oder aber die Rahmen­be­dingen sind grund­sätz­lich geeignet, jedoch werden die Ziele des/​der Professor:in durch Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­tionen nicht erfüllt. So strebt die Professur viel­leicht A‑Publikationen an, die Innovationskooperationspartner:innen dagegen die Verwer­tung unter Geheim­hal­tungs­aspekten.

In der teil-inno­va­tiven Hoch­schule wird das Inno­va­ti­ons­ge­schehen durch das Handeln des/​der Professor:in als Innovateur:in getrieben, ohne eine Unter­stüt­zung durch Rahmen­be­din­gungen zu erhalten. Das der/​die Professor:in dennoch als Innovateur:in agiert, liegt darin begründet, dass er/​sie durch die Hand­lung selbst eine Befrie­di­gung erfährt. Jedoch kann durch das Fehlen dieser Rahmen­be­din­gungen – das zeigen die Ergeb­nisse der Fall­studie klar – die mittel- bis lang­fris­tige Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit der Professur zurück­gehen und es kommt zu einer höheren Unzu­frie­den­heit und einer gerin­geren Bindung an die Hoch­schule.

Der Idealtyp der inno­va­tiven Hoch­schule kann zwei Ausprä­gungen, real und fiktional, annehmen. In der real-inno­va­tiven Hoch­schule treffen Innovateur:in und unter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen aufein­ander. Der/​die Professor:in erfährt durch das Eingehen von Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­tionen eine Befrie­di­gung der indi­vi­du­ellen Motive und/​oder das Eintreten erstre­bens­werter Hand­lungs­folgen. Diese Befrie­di­gung geht mindes­tens teil­weise auf die unter­stüt­zenden Rahmen­be­din­gungen zurück.

Auch in der fiktional-inno­va­tiven Hoch­schule treffen Innovateur:in und unter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen aufein­ander. Die Rahmen­be­din­gungen unter­stützen hier jedoch nicht oder nur in einem unbe­deu­tenden Maß die Befrie­di­gung der intrin­si­schen Moti­va­tion und/​oder das Eintreten erstre­bens­werter Hand­lungs­folgen. Die Professur agiert ähnlich wie die Professur in der teil-inno­va­tiven Hoch­schule. Dadurch entsteht eine Gefahr für die Hoch­schul­lei­tung und ‑steue­rung. Denn im Regel­fall wird nicht hinter­fragt, ob die Rahmen­be­din­gungen auch tatsäch­lich die geplante Wirkung entfalten und dadurch mindes­tens teil-ursäch­lich für das Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­ti­ons­ge­schehen sind. Tatsäch­lich ist das Inno­va­ti­ons­ko­ope­ra­ti­ons­ge­schehen jedoch maßgeb­lich durch die interne Moti­va­tion und/​oder hoch­schul­ex­terne Anreize geprägt. Fällt jedoch die äußere Befrie­di­gung der Motiv­lage weg, wird dies im Regel­fall auch das inno­va­ti­ons­ori­en­tierte Verhalten der Professur verrin­gern. Zudem kann es mittel­fristig zu einer Verrin­ge­rung der Zufrie­den­heit mit und Bindung an die Hoch­schule kommen.

Die Klas­si­fi­zie­rung in Ideal­typen basiert auf 65 abge­lei­teten Krite­rien der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit, die sich auf drei Ebenen befinden:

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31 der Krite­rien betreffen die Top-down-Perspek­tive durch die Gestal­tung inno­va­ti­ons­för­der­li­cher Rahmen­be­din­gungen und 34 Krite­rien die Bottom-up-Perspek­tive, also das Handeln des/​r Innovateur:in. Diese 34 Krite­rien nehmen in der bishe­rigen Forschung kaum berück­sich­tige Aspekte zur Analyse der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit in den Fokus. Die Gesamt­heit der Krite­rien steht in einer engen Wech­sel­wir­kung. Zudem sind die Krite­rien in ihrer Wirkung perso­nen­ab­hängig. Zum Beispiel müssen Anreiz­sys­teme indi­vi­dua­li­sierbar sein, wenn sie eine gewünschte Wirkung erzielen sollen.

Inner­halb einer Hoch­schule gibt es sehr unter­schied­liche Ausmaße der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit

Die Fall­stu­di­en­ergeb­nisse zeigen deut­lich die Notwen­dig­keit der Verknüp­fung von Bottom-up- und Top-down-Perspek­tive. In allen unter­suchten Hoch­schulen finden sich gleich­zeitig mehrere der abge­lei­teten Hoch­schu­lide­al­typen. Dies liegt einer­seits in den sehr unter­schied­lich ausge­prägten Inno­va­ti­ons­fä­hig­keiten der Professor:innen begründet, ande­rer­seits aber auch in der stark unter­schied­li­chen Wahr­neh­mung inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zender Rahmen­be­din­gungen – und zwar nicht nur hinsicht­lich ihrer Eignung, sondern auch was deren Vorhan­den­sein über­haupt betrifft. Hoch­schulen sind mit einer insge­samt schlechten Infor­ma­ti­ons­dif­fu­sion ausge­stattet, sodass auch vorhan­dene inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zende Rahmen­be­din­gungen oftmals unbe­kannt sind. Es reicht also nicht, nur indi­vi­duell geeig­nete Rahmen­be­din­gungen zu imple­men­tieren, sondern diese müssen auch durch ange­mes­sene Instru­mente bekannt­ge­macht werden.

Die größte Über­ein­stim­mung bei der Einord­nung in die Hoch­schu­lide­al­typen findet sich in der Fall­studie bei der Hochschule_​A, die durch eine starke Führung u. a. sehr bewusst inno­va­ti­ons­be­reite Professor:innen beruft. Hoch­schulen mit einer weniger stark auf Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit gerich­teten Beru­fungs­po­litik wiesen in den Fall­stu­dien eine stär­kere Diffe­ren­zie­rung in den Ideal­typen auf.

Insge­samt sehen sich mit 11 der 23 befragten Professor:innen knapp die Hälfte in einer Hoch­schule, in der das Ausmaß ihrer indi­vi­du­ellen Inno­va­ti­ons­be­mü­hungen auch dem Inno­va­ti­ons­in­ter­esse der Hoch­schule entspricht. Bei 12 der Professor:innen herrscht ein Ungleich­ge­wicht, was sich mehr­heit­lich darin äußert, dass sie sich in ihren Inno­va­ti­ons­be­mü­hungen nicht (richtig) unter­stützt fühlen. Dies kann mittel- bis lang­fristig zu einer höheren Unzu­frie­den­heit und gerin­geren Bindung sowie einer Abnahme der Inno­va­ti­ons­tä­tig­keit der betrof­fenen Professor:innen führen.

Wie sich die Vertei­lung der Ideal­typen inner­halb der unter­suchten Hoch­schulen gestal­tete, zeigt die nach­fol­gende Abbil­dung.

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Die Fall­studie zeigt außerdem, dass das Bild, welches eine Hoch­schule z. B. durch Stra­te­gie­pa­piere, Leit­bilder, Inter­net­auf­tritt und Ziel­ver­ein­ba­rungen hinsicht­lich ihrer Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit nach außen trägt, oftmals von dem abweicht, wie die Hoch­schule im Inneren wahr­ge­nommen wird. Wird nämlich der Hoch­schu­lide­altyp nach Analy­se­ob­jekt unter­schieden, also danach, ob die Einord­nung durch Doku­men­ten­ana­lyse, Führungs­kraft der trans­fer­un­ter­stüt­zenden Einheit oder Professor:in erfolgt ist, zeigen sich deut­liche Diffe­renzen. So können anhand der Doku­men­ten­ana­lyse sieben der acht unter­suchten Hoch­schulen in den Idealtyp der real-inno­va­tiven oder ambi­tio­nierten Hoch­schule einge­ordnet werden. Dagegen geben zehn der 23 befragten Professor:innen das Fehlen inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zender Maßnahmen und sechs das Anbieten unge­eig­neter inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zender Maßnahmen an.

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Insge­samt kann also abge­leitet werden, dass sich die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit einer Hoch­schule aus der Summe der indi­vi­du­ellen Inno­va­ti­ons­fä­hig­keiten ihrer Mitglieder ergibt. Maßnahmen zur Stei­ge­rung müssen diese Indi­vi­dua­lität berück­sich­tigen. Außerdem muss eine hinrei­chende Infor­ma­ti­ons­dif­fu­sion hinsicht­lich inno­va­ti­ons­un­ter­stüt­zender Rahmen­be­din­gungen erreicht werden. Für die Einschät­zung und Ablei­tung geeig­neter Maßnahmen kann es für Hoch­schulen sinn­voll sein, auf das Erfah­rungs­wissen etablierter Hoch­schul­be­ra­tungen zurück­zu­greifen.

Weitere Infor­ma­tionen

Umfang­reich sind die Ergeb­nisse in der Disser­ta­ti­ons­schrift sowie mehreren Buch­bei­trägen darge­stellt.

Die Disser­ta­ti­ons­schrift ist unter folgenden Angaben zu finden:

Weitere Ergeb­nisse finden sie u. a. unter:

Konen, Cindy (2023): To inno­vate or not to inno­vate? Profes­sors motives and with­hol­ding reasons for coope­ra­tive inno­va­tions with enter­prises, in Bruno, B.; Milson, C.; Calleja, J.; O’Hara, M.: Accel­a­ra­ting the Future of Higher Educa­tion, Leiden/​Boston: Brill, S. 78–99.

Konen, Cindy (2022): Inno­va­tive Higher Educa­tion Insti­tu­tion or Inno­vator in the Higher Educa­tion Insti­tu­tion? An Analysis of the Influence and Inter­play of Frame Condi­tions and the Person-Specific Inno­va­tive Ability, in: Brou­cker, B.; Prit­chard, R.; Milsom, C.; Krempkow, R. (Hrsg.): Trans­for­ma­tion Fast and Slow: Digi­ta­li­sa­tion, Quality and Trust in Higher Educa­tion, Leiden/​Boston: Brill, S. 219–239.

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