
Undichte Dächer erodieren das Fundament
Dr. Yvonne Dorf (stellvertretende Geschäftsführerin des DHV) und Prof. Dr. Guido Benzler (Gesellschafter der rheform GmbH) über verrottete Labore, Mutmacher in Bauherrenrolle und forschungsorientierte Lehre als Triebmotor.

Erschienen Februar 2020 in
VERLAGSSONDERBEILAGE PARTNER DER WISSENSCHAFT
Die Hochschulen stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Die digitale Transformation, der Wettbewerb um die besten Köpfe und attraktivsten Lehrpläne sowie der demografische Wandel bestimmen die Agenden im Wissenschaftsmanagement. Wie gelingt es den Verantwortlichen aus Forschung und Lehre, auf diesen Gebieten international den Anschluss zu halten? Auf Fragen wie diese gibt es Antworten – von dem Beratungsunternehmen rheform GmbH und dem Deutschen Hochschulverband (DHV).

Dr. iur. Yvonne Dorf
Dr. iur. Yvonne Dorf ist stellvertrende Geschäftsführerin des DHV. Zuvor war sie Dekanin und Professorin an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.

Prof. Dr. Guido Benzler
ist Gesellschafter und Geschäftsführer der rheform GmbH. Seit 1993 ist er im Bereich Hochschulentwicklung tätig und berät öffentliche Einrichtungen.
Mit welcher Maßnahme erhielten Ihrer Meinung nach die Hochschulen einen besonderen Schub hinsichtlich internationaler Wettbewerbsfähigkeit?
Guido Benzler: Der Staat steht vor der enormen Herausforderung, die notwendigen Ressourcen und Rahmenbedingungen zu stellen. Das geschieht sicherlich in geeigneter Weise, aber immer noch nicht ausreichend. Die Hochschulen sollten viel flexibler agieren dürfen, sowohl in der Personalausstattung als auch bei der Bezahlung. So ließen sich vermehrt hochattraktive Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland anziehen.
Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf?
Yvonne Dorf: Den sehe ich vor allem in einer soliden Grundfinanzierung, die qualitative Verbesserungen bei den anhaltend hohen Studierendenzahlen ermöglicht. Die Betreuungsrelationen von Studierenden pro Professur sind an deutschen Hochschulen international schlichtweg nicht wettbewerbsfähig.
Ein weiterer Punkt ist der Hochschulbau. Seit Jahren wird die Bausubstanz vernachlässigt. Da werden Eimer aufgestellt, wenn es regnet. Labore und Gebäude verrotten. Der von Bund und Ländern auf den Weg gebrachte Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ ist aus meiner Sicht nur ein kleiner Hoffnungsschimmer. Den enormen Finanzbedarf deckt dieser Zukunftsvertrag noch lange nicht. Ohne die Mitwirkung des Bundes werden die Länder vor dem Hintergrund der Schuldenbremse ihre veralteten Gebäude und die Infrastruktur weder instand halten noch modernisieren können. Exzellente Wissenschaft setzt aber auch eine adäquate baulich-technische Infrastruktur voraus!
Guido Benzler: Dazu kommt: Selbst wenn die Hochschulen Geld erhalten, fehlt es vielfach an geeigenetem Personal und entsprechenden Strukturen, um den Sanierungsstau mit Expertise und Verantwortung aufzulösen.
Die Länder haben in den letzten Jahren, man kann fast schon von Jahrzehnten sprechen, das Personal in den öffentlichen Verwaltungen sukzessive zurückgefahren. Es gibt gar nicht mehr das Knowhow und die Kapaziäten für Projekte in diesen Dimensionen. Das heißt, selbst wenn mehr Geld ins System käme, könnte es gar nicht absorbiert warden, weil einfach auf allen Seiten die Planungskapazitäten fehlen.
Was halten Sie von der Idee, Hochschulen entweder nach Top-Lehre oder nach Top-Forschung zu profilieren?
Yvonne Dorf: Unter Gesichtspunkten des Wettbewerbs sind Hochschulen meiner Meinung nach gut beraten, Schwerpunkte und Profile zu entwickeln. Ich warne aber vor einer Profilierung nach Forschung und Lehre, denn es gilt der Grundsatz, dass nur eine Lehre, die sich ständig aus der Forschung erneuert, eine gute universitäre Lehre ist und dass jeder in der Universität Lehrende zugleich auch Forscher bzw. Forscherin sein muss.
Man könnte jetzt natürlich die Exzellenzstrategien anführen. Aber ich denke, auch die ändern nichts daran, dass es keine Ausrichtung nach Lehre/Forschung/Universität geben sollte. Vielmehr belegen gerade diese Exzellenzstrategien, dass Exzellenz nicht vom Himmel fällt, sondern dass Spitzenleistung harte Arbeit voraussetzt, die sich aber auch erarbeiten lässt und da gehört die strategische Arbeit mit dazu.
Guido Benzler: Forschungsbasierte Lehre ist eine Triebfeder, die unbedingt erhalten bleiben muss. Persönlich unterstütze ich aber stark die Idee von Profilierung und Profilbildung. Dabei denke ich vor allem an die zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Im Wettbewerb um ausgezeichnete Forschende und Studierende kommt man meiner Meinung nach um eine gewisse Profilbildung als Hochschule gar nicht herum. Die Menschen erwarten attraktive Rahmenbedingungen und eine gute Infrastruktur mit entsprechender Ausstattung. Der aktuelle finanzielle Hintergrund erlaubt einer Hochschule gar nicht mehr die ganze Breite. Deshalb sollte sie sich genau überlegen, in welchen Bereichen sie sich was erlauben möchte und was vielleicht nicht (mehr).
Das sind düstere Aussichten. Gibt es Auswege aus dieser Misere?
Guido Benzler: Mutmacher sind zum Beispiel Hochschulen in NRW oder in Baden-Württemberg, die selbst die Bauherren-Rolle übernehmen und so viel flexibler und schneller Probleme angehen können als bei langwierigen Abstimmungsprozessen mit der Landesbauverwaltung. Diese Pilotmodelle gilt es zu fördern und zu stützen und nach einer geeigneten Phase auf die Fragen hin zu evaluieren: Funktioniert das? Was ließe sich verbessern? Bedarf es weiterer Ressourcen? Hier sollte man gemeinsam aktiv werden und erheblich mehr Vielfalt zulassen.
Was halten Sie von der Idee, Hochschulen entweder nach Top-Lehre oder nach Top-Forschung zu profilieren?
Yvonne Dorf: Unter Gesichtspunkten des Wettbewerbs sind Hochschulen meiner Meinung nach gut beraten, Schwerpunkte und Profile zu entwickeln. Ich warne aber vor einer Profilierung nach Forschung und Lehre, denn es gilt der Grundsatz, dass nur eine Lehre, die sich ständig aus der Forschung erneuert, eine gute universitäre Lehre ist und dass jeder in der Universität Lehrende zugleich auch Forscher bzw. Forscherin sein muss.
Man könnte jetzt natürlich die Exzellenzstrategien anführen. Aber ich denke, auch die ändern nichts daran, dass es keine Ausrichtung nach Lehre/Forschung/Universität geben sollte. Vielmehr belegen gerade diese Exzellenzstrategien, dass Exzellenz nicht vom Himmel fällt, sondern dass Spitzenleistung harte Arbeit voraussetzt, die sich aber auch erarbeiten lässt und da gehört die strategische Arbeit mit dazu.
Guido Benzler: Forschungsbasierte Lehre ist eine Triebfeder, die unbedingt erhalten bleiben muss. Persönlich unterstütze ich aber stark die Idee von Profilierung und Profilbildung. Dabei denke ich vor allem an die zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Im Wettbewerb um ausgezeichnete Forschende und Studierende kommt man meiner Meinung nach um eine gewisse Profilbildung als Hochschule gar nicht herum. Die Menschen erwarten attraktive Rahmenbedingungen und eine gute Infrastruktur mit entsprechender Ausstattung. Der aktuelle finanzielle Hintergrund erlaubt einer Hochschule gar nicht mehr die ganze Breite. Deshalb sollte sie sich genau überlegen, in welchen Bereichen sie sich was erlauben möchte und was vielleicht nicht (mehr).
Denken Sie dabei auch an bestimmte Lehrformate? Ist angesichts digitaler Möglichkeiten die Zeit von Vorlesungen im Audimax nicht eigentlich vorbei? Wie lernen, lehren und studieren wir in der Zukunft?
Yvonne Dorf: Erkenntnis gewinnt man vor allem im Dialog, im unmittelbaren Austausch, in der Begegnung von Lehrenden und Lernenden. Welche Orte sind dafür besser geeignet als die Universitäten, als die Hochschulen? Vorlesung und Audimax haben vielleicht doch mehr Zukunft, als einige Betrachter das heute wahrhaben wollen. Gerade in der digitalen Welt brauchen wir mehr denn je die Universitäten als Orte des freien und reflektierten Meinungsaustausches. Als Orte, wo wir im offenen Diskurs leidenschaftlich und kontrovers um Thesen, Fakten, Argumente und Beweise ringen.
Ich denke nicht, dass traditionelle und neue digitale Lehrformate ein unvereinbarer Gegensatz sind. Sie können, sollen und sie werden sich gegenseitig ergänzen und bereichern. Die digitale Lehre wird die menschliche Begegnung zwischen den Lehrenden und den Studierenden sowie den Studierenden untereinander nie vollends ersetzen können. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass es auch in zehn Jahren noch Vorlesungen und ein Audimax geben wird.
Guido Benzler: Ich sehe das genauso. Hochschulen werden auch in den nächsten zehn Jahren weiterhin die Orte des Lernens sein. Sie sollten in unserer Vorstellung nur viel attraktiver werden und sich zu Räumen entwickeln, in denen Vielfalt und Streitkultur erlebbar werden und Gesellschaft und Wissenschaft einen viel größeren Dialog aufnehmen.
Das Interview führte Sandra Butscher.
BILDNACHWEIS
Foto Guido Benzler: KIT
Foto Yvonne Dorf: Deutscher Hochschulverband
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