„leaky pipeline”, „glass ceiling“ und „sticky floor“ prägen das Chancengleichheitsbild
Frauen in Führungspositionen außeruniversitärer Forschungseinrichtungen
Erschienen 06/2016 in
Wissenschaftsmanagement
Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen rückt immer stärker in den Fokus der politischen Diskussion, sowohl in der Wissenschaft als auch der Wirtschaft (Gerhard 2008). Der Gleichstellungsbericht der GWK – Gemeinsame Wissenschaftskommission aus dem Oktober 2016 zeigt deutlich auf, dass die gesetzten Ziele zum Thema Frauen als Führungskräfte besonders in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen (GWK Bonn 2013) nicht oder nur sehr schleppend erreicht werden. So lautet auch das Fazit der Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus diesem Jahr, in dem konstatiert wird, dass der „Frauenanteil gerade in den Führungsebenen [der außeruniversitären Forschungseinrichtungen] noch weit von einer angemessenen Beteiligung entfernt [ist]“.
Prof. Dr. rer. oec. Guido Benzler
Prof. Dr. rer. oec. Guido Benzler, Volks- und Betriebswirt, ist geschäftsführender
Gesellschafter der rheform GmbH. Er verfügt über eine umfassende Erfahrung zur strategischen Unternehmensführung und Organisationsentwicklung.
Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Analyse darauf, wie sehr Gleichstellung in der Leitung, aber auch auf Ebene der Entscheidungsgremien in der außeruniversitären Forschung realisiert ist. Zudem beziehen wir die Internationalität sowie die Herkunft der Akteure und die fachliche Ausrichtung der Einrichtung mit in unsere Analyse ein. Diese weitergehende Betrachtung soll ermöglichen, Zusammenhänge zwischen der Besetzung von Positionen mit Frauen und der Institution aus der die Personen kommen und dem möglichen internationalen Kontext zu betrachten.
Als Untersuchungsgegenstand wurden dabei die vier deutschen Forschungseinrichtungen gewählt (AV-Glei 2016):
- Max-Planck-Gesellschaft
- Fraunhofer-Gesellschaft
- Helmholtz-Gemeinschaft
- Leibniz-Gemeinschaft
Die vier deutschen Forschungsgemeinschaften
In Deutschland gibt es vier außeruniversitäre Forschungsgemeinschaften, welche Institute aller Disziplinen vereinen, sich aber über ihre Ausgestaltung der Forschung und Zielsetzung differenzieren.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist mit derzeit 83 Forschungsinstituten und Forschungsstellen die wichtigste Organisation für Grundlagenforschung außerhalb der Hochschulen. Die Institute der MPG beschäftigen sich insbesondere mit neuen und zukunftsträchtigen Forschungsrichtungen, die an Hochschulen nicht verfolgt werden können und ergänzen damit die Arbeit auf wichtigen Forschungsfeldern. Um den Frauenanteil in der Wissenschaft am MPG zu erhöhen, sollen bis 2017 jährlich die Frauenanteile auf den W2- und W3-Positionen sowie in den Besoldungsgruppen E13 bis E15 um einen Prozentpunkt steigen (GWK Bonn 2016).
Zu der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) gehören derzeit 69 Institute an über 40 Standorten. In den Instituten wird anwendungsorientierte Forschung betrieben, die von Nutzen für Unternehmen und Gesellschaft ist. Vertragspartner sowie Auftragsgeber sind Industrie- und Dienstleistungsunternehmen und die öffentliche Hand. Im Zuge der Chancengleichheit hat die FhG ein eigenes Kaskadenmodell entwickelt, in dem nicht nur das Wachstum der Institute berücksichtigt wurde, sondern auch die vorhersehbare Fluktuation. Bis 2017 soll sowohl der Anteil der Wissenschaftlerinnen steigen, als auch der Frauenanteil auf der Führungsebene (GWK Bonn 2015).
Die Leibniz-Gemeinschaft (WGL) besteht aus 88 außerhochschulischen Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen. Die Forschungsfelder der WGL verlangen eine langfristig angelegte Bearbeitung und sind zudem meist interdisziplinär ausgerichtet, sodass sie sich nicht für die Universitätsforschung eignen. Für den zu erwartenden Frauenanteil an den Instituten im Jahr 2017 hat die WGL verschiedene Szenarien entwickelt. Nach diesen ist eine durchschnittliche Zielquote von 17 Prozent für alle W‑Stellen umsetzbar (GWK Bonn 2012).
Die Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) besteht aus einem Zusammenschluss von 18 naturwissenschaftlich-technischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren. Zur Aufgabe der Zentren gehört die Verfolgung langfristiger Forschungsziele von Staat und Gesellschaft. Die HGF versucht eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent zu erreichen sowie den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Für jedes Helmholtz-Zentrum gelten individuell die Zielquoten des Kaskadenmodels.
Insgesamt wurden von uns 257 Institute betrachtet (siehe Tabelle 1). Dabei fällt auf, dass die Helmholtz-Gemeinschaft, die von den Mitarbeitern her die größte Einrichtung ist, auch durchschnittlich etwa zehn Mal so viele Mitarbeiter pro Institut hat, wie die Institute der anderen drei Einrichtungen. Dies deckt sich mit der Ausrichtung der Helmholtz Gemeinschaft auf Großforschung (GWK Bonn).
Tab. 1: Die vier Forschungsgemeinschaften im Überblick
Methodisches Vorgehen
Grundlage unserer Daten ist eine im Mai und Juni 2016 durchgeführte Recherche auf den Homepages der Institute. Als Führungspositionen werden dabei die Institutsleitungen und Verwaltungsleitungen sowie die Mitglieder des Aufsichtsgremiums betrachtet. Jede Einrichtung wird von einer wissenschaftlichen Leitung geführt, wobei es sich stark unterscheidet, wie viele weitere Leitungspositionen das Institut inhaltlich mitgestalten.
Während Max-Planck-Institute oftmals eine Vielzahl an Direktoren haben (durchschnittlich etwa 4 Institutsleitungen pro Institut), werden die Geschicke von Leibniz-Instituten und Fraunhofer-Instituten oft von nur einer Person geführt (durchschnitt etwa 1,4 Institutsleitungen pro Institut). Bei Abteilungsleitungen wurde die Person nur dann als Führungskraft betrachtet, wenn diese im gemeinsamen Vorstand aktiv ist und dort Entscheidungen mit treffen darf.
Neben den internen Leitungsgremien wurde auch die Besetzung der Mitglieder des Aufsichtsgremiums analysiert, wobei diese sich bei den Institutionen unterschiedlich darstellen. Als Aufsichtsgremium werden dabei die zur Steuerung der Einrichtung entscheidenden Gremien angesehen: bei Instituten der WGL und der HGF übernehmen diese Rolle die Mitgliederversammlungen, Einrichtungen der FhG und MPG werden über Kuratorien beaufsichtigt. Dabei wurden neben dem Geschlecht der Mitglieder auch die Nationalität sowie die institutionelle Herkunft (Wissenschaft, Wirtschaft, Politik) herausgearbeitet. Die letztgenannte Unterscheidung macht für die Wissenschaftliche Leitung weniger Sinn, da diese in der Regel aus der Wissenschaft kommen.
Tab. 2: Die Frauenquote in den verschiedenen Führungspositionen
Ergebnisse
Auffällig ist, dass der Anteil der Frauen in Führungspositionen insgesamt nicht den geforderten Ansprüchen der Politik entspricht. Allerdings unterscheidet sich das Bild bei einer differenzierten Betrachtung der Gemeinschaften und Führungspositionen.
Institutsleitung: Gerade auf der für die Institute entscheidenden Position der wissenschaftlichen Leitung liegt der Anteil der Frauen nur zwischen 4 und 17 Prozent. Durchschnittlich ist nur jede zehnte Institutsleitungsposition von einer Frau besetzt. Die Leibniz-Gemeinschaft geht dabei als positives Beispiel voran, während nicht nicht einmal jedes zwanzigste Fraunhofer-Institut eine weibliche Leitung hat.
Verwaltungsleitung: Die Verwaltungsleitung ist die Position, welche mit Abstand am häufigsten eine weibliche Besetzung hat. Hier sticht die Fraunhofer-Gesellschaft wieder heraus, diesmal allerdings mit einem Anteil von Frauen von über 65 Prozent.
Aufsichtsgremium: Sehr unterschiedliche Ergebnisse liefert die Besetzung der Aufsichtsgremien. Während die Institute der HGF einen Aufsichtsrat mit einem Drittel weiblicher Besetzung haben, sind es bei den Einrichtungen der FhG weniger als 10 Prozent.
Internationalität: Auffällig ist, dass in allen vier Forschungseinrichtungen Deutsche im Aufsichtsgremium stark vertreten sind. Mit knapp 5 Prozent der Mitglieder aus dem europäischen Ausland und 3 Prozent aus dem nicht-europäischen Ausland weist die Helmholtz-Gemeinschaft die stärkste Internationalisierung im Aufsichtsgremium auf.
Institutionelle Akteursherkunft: Bei der institutionellen Akteursherkunft sind in den Forschungseinrichtungen deutliche Unterschiede zu erkennen. Das Aufsichtsgremium der Fraunhofer-Gesellschaft ist beispielsweise mit 56 Prozent am stärksten aus der Wirtschaft vertreten und in der Leibniz-Gemeinschaft ist die Wissenschaft mit 48 Prozent die stärkste Akteursherkunft. Währenddessen ist die Herkunft der Akteure bei den beiden weiteren Forschungseinrichtungen, Helmholtz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft, relativ ausgeglichen.
Tab. 3: Internationalität und Institutionelle Akteursherkunft der Aufsichtsgremien
Interpretation der Ergebnisse
Gründe für die geringe Anzahl von Frauen auf diesen Positionen können nicht aus dieser Analyse abgeleitet werden, daher soll an dieser Stelle ein kursorischer Blick auf die bisherige Diskussion zu diesem Thema geworfen werden. Hierbei geht es uns nicht um Vollständigkeit möglicher Erklärungsansätze, sondern um ein Schlaglicht auf die aus unserer Sicht erklärungsmächtigsten Faktoren. Hierzu zählen wir vornehmlich die Exklusionsmechanismen, die durch kulturelle und normativ geprägte Deutungs- und Handlungsschemata gestützt werden. So zeigt sich beispielsweise, dass Geschlechterstereotype bei der Bewertung von wissenschaftlichen Leistungen fortwirken. Ein geschlechterstereotypisches Frauen- und Männerbild wirkt damit auch in Berufungsverfahren zu Ungunsten der weiblichen Bewerber. In der Konsequenz empfiehlt der Wissenschaftsrat eine Frauenbeteiligung in Höhe von mindestens 40 Prozent bei der Besetzung von Auswahlgremien, um solche Exklusionsmechanismen zu durchbrechen. überdies kann konstatiert werden, dass die männliche Dominanz im Wissenschaftssystem insofern selbstverstärkend wird, als dem Ähnlichkeitsprinzip folgend männliche Wissenschaftler auch eher männliche Studierende beziehungsweise männliche Nachwuchswissenschaftler aktiv zur wissenschaftlichen Karriere auffordern, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass dies mit entsprechenden Demotivations-Effekten bei (potenziellen) Nachwuchswissenschaftlerinnen einhergeht. Stärker individual-psychologisch orientierte Erklärungen sehen darüber hinaus mögliche Erklärungsfaktoren in der überwiegend männlich geprägten Wissenschaftskultur mit entsprechenden Hemmnissen für weibliche Wissenschaftler.
Fazit
Mit Blick auf die Entwicklung der Frauen in Führungspositionen fällt zwar auf, dass es seit 1992 eine signifikante Steigerung weiblicher Personen in Leitungs- und Entscheidungsgremien gibt. Gleichwohl wirken nach wie vor die bekannten Mechanismen wie „leaky pipeline”, „glass ceiling“ und „sticky floor“ und prägen das Chancengleichheitsbild im Wissenschaftssystem, insbesondere auch bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Während alle betrachteten außeruniversitären Forschungseinrichtungen einen vergleichsweise hohen Anteil an weiblichen Führungskräften in der Administration vorweisen können, fällt der Anteil an weiblichen Führungskräften in den wissenschaftlichen Leitungs- und Entscheidungsgremien demgegenüber deutlich ab. Um dem entgegenzuwirken bedürfte es eines kulturellen Wandels, um die eingelebten Praktiken und Einstellungsmuster nachhaltig zu ändern. Solch ein kultureller Wandel muss über entsprechende institutionalisierte Verfahren und Regeln gestützt werden. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben mit ihrer Selbstverpflichtung zur Umsetzung des Kaskadenmodells einen notwendigen, jedoch keineswegs auch schon hinreichenden Schritt getan. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konkurrenz um die „klügsten Köpfe“ – und dies sowohl national als auch international – sind die außeruniversitären Forschungseinrichtungen gut beraten, ihre Instrumente zur Förderung von Chancengleichheit weiter auszugestalten. Hierzu zählen Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie Personalentwicklungsinstrumente zur Förderung von weiblichen Nachwuchskräften sowie die organisationsweite Sensibilisierung für das Thema Chancengleichheit bei gleichzeitiger Aufklärung über die alltäglichen Diskriminierungsfallen aufgrund habitualisierter Praktiken, die die gängigen Exklusionsmechanismen festigen.Mit Blick auf die Entwicklung der Frauen in Führungspositionen fällt zwar auf, dass es seit 1992 eine signifikante Steigerung weiblicher Personen in Leitungs- und Entscheidungsgremien gibt. Gleichwohl wirken nach wie vor die bekannten Mechanismen wie „leaky pipeline”, „glass ceiling“ und „sticky floor“ und prägen das Chancengleichheitsbild im Wissenschaftssystem, insbesondere auch bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Während alle betrachteten außeruniversitären Forschungseinrichtungen einen vergleichsweise hohen Anteil an weiblichen Führungskräften in der Administration vorweisen können, fällt der Anteil an weiblichen Führungskräften in den wissenschaftlichen Leitungs- und Entscheidungsgremien demgegenüber deutlich ab. Um dem entgegenzuwirken bedürfte es eines kulturellen Wandels, um die eingelebten Praktiken und Einstellungsmuster nachhaltig zu ändern. Solch ein kultureller Wandel muss über entsprechende institutionalisierte Verfahren und Regeln gestützt werden. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben mit ihrer Selbstverpflichtung zur Umsetzung des Kaskadenmodells einen notwendigen, jedoch keineswegs auch schon hinreichenden Schritt getan. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konkurrenz um die „klügsten Köpfe“ – und dies sowohl national als auch international – sind die außeruniversitären Forschungseinrichtungen gut beraten, ihre Instrumente zur Förderung von Chancengleichheit weiter auszugestalten. Hierzu zählen Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie Personalentwicklungsinstrumente zur Förderung von weiblichen Nachwuchskräften sowie die organisationsweite Sensibilisierung für das Thema Chancengleichheit bei gleichzeitiger Aufklärung über die alltäglichen Diskriminierungsfallen aufgrund habitualisierter Praktiken, die die gängigen Exklusionsmechanismen festigen.
Literatur:
AV-Glei (2016): Ausführungsvereinbarung Gleichstellung, in der geänderten Fassung von April 2016, BAnz AT 28. Juni 2016 B4.
Gerhard, Ute (2008): 50 Jahre Gleichstellung – eine Spring-Prozession. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 24–25: 3–10.
GWK Bonn (2013): Pakt für Forschung und Innovation Monitoring-Bericht. 43ff.
GWK Bonn (2015): www.gwk-bonn.de/themen/wissenschaftseinrichtungen-in-der-gemeinsamen-foerderung/
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