Bedarfs­pla­nung im Hoch­schulbau

Bedarfs­pla­nung im Hoch­schulbau

Ein Muster­pro­zess als Lösungsweg für die Heraus­for­de­rungen bei öffent­li­chen Hoch­bau­pro­jekten

Reißen öffent­liche Baupro­jekte Termin- und Kosten­vor­gaben, liegen die Ursa­chen häufig in einer unzu­rei­chenden Bedarfs­pla­nung, bevor die Vorhaben zur weiteren Planung frei­ge­geben worden sind. Um den gravie­renden Folgen Einhalt zu gebieten, haben die Gesetz­geber mehrerer Bundes­länder die Bedarfs­pla­nung in ihre Regel­werke zum öffent­li­chen Hochbau inte­griert. In Bayern verlangt z. B. die Novelle der RLBau 2020, dass vor Planungs­be­ginn eine abschlie­ßende und verbind­liche Bedarfs­er­mitt­lung vorliegen muss. Nach der Projekt­ge­neh­mi­gung sollen Ände­rungen am Bedarf grund­sätz­lich nicht mehr möglich sein. Verord­nungen dieser Art stellen gerade Hoch­schulen vor große Heraus­for­de­rungen. In den Insti­tu­tionen fehlt es nämlich viel­fach an Personal, Geld und Exper­tise, um die Bedarfs­pla­nung in ausrei­chender Tiefe zu erstellen.

Unter­schied­liche Heran­ge­hens­weisen auf die zu erbrin­genden Inhalte und Anfor­de­rungen erschweren die ohnehin schon anspruchs­volle Aufgabe zusätz­lich, denn eine belast­bare Bedarfs­pla­nung setzt eine inten­sive Ausein­an­der­set­zung mit der Aufgabe, der Gebäu­de­nut­zung und den Nutzern voraus. Sie wird umso verläss­li­cher, je genauer die notwen­digen Eingangs­pa­ra­meter gefasst, unter­ein­ander abge­wogen und in die rechten Bezie­hungen zuein­ander gesetzt werden.

Der Muster­pro­zess – entwi­ckelt im Rahmen einer Master­ar­beit

Für diese Aufgabe zeigt die rheform-Mitar­bei­terin Monika Spengler einen Lösungsweg. Im Rahmen eines berufs­be­glei­tenden Master­stu­di­en­gangs hat die Diplom-Inge­nieurin in ihrer Abschluss­ar­beit die Vorgaben bei der Bedarfs­pla­nung in Bayern und Nord­rhein-West­falen mitein­ander vergli­chen. Aus der Analyse und Gegen­über­stel­lung der jewei­ligen Verfahren in den beiden Bundes­län­dern sowie aus der Unter­su­chung und Auswer­tung von fünf Praxis­bei­spielen entwi­ckelte sie einen Muster­pro­zess. Er berück­sich­tigt die Beson­der­heiten des Hoch­schul­baus und bietet insbe­son­dere bei anspruchs­vollen Labor- und Forschungs­bauten große Vorteile zur aktu­ellen Vorge­hens­weise.

Bei dem Muster­pro­zess handelt es sich um die stufen­weise Entwick­lung eines Bedarfs­plans, der auf einer ganz­heit­li­chen Betrach­tung des Gesamt­be­darfs der Hoch­schule aufbaut. Der Prozess beginnt mit dem bedarfs­aus­lö­senden Grund einer konkreten Baumaß­nahme. An seinem Ende stehen die mit allen Projekt­be­tei­ligten abge­stimmten und ausge­ar­bei­teten Bedarfs­pla­nungs­un­ter­lagen. Diese gehen dann an die Objekt- und Fach­planer oder bilden den Ausgangs­punkt für einen Planungs­wett­be­werb.

Der beson­dere Wert: nach­hal­tige Bedarfs­de­ckung mit verbind­li­chen Kosten- und Termin­pro­gnosen

Der Muster­pro­zess schafft die Grund­lage für einen effi­zi­enten Planungs­ver­lauf bei einem konkreten Bauvor­haben. Fundiert, belastbar und verbind­lich bildet er die Basis für realis­ti­sche Kosten- und Termin­pro­gnosen. Doch der Fokus auf Zeit und Geld ist nicht alles. Über den Lösungsweg gelingen nach­hal­tige, perspek­ti­visch trag­fä­hige Nutzungs­kon­zepte sowohl für eine realis­ti­sche Bedarfs­de­ckung der plane­ri­schen Erst­nut­zung als auch für die noch weit­ge­hend unbe­kannten Anfor­de­rungen der Zukunft.

Die mit „sehr gut“ bewer­tete Arbeit wurde inzwi­schen mit dem ersten Preis vom „Förder­verein Bau und Immo­bilie“ als beste Master­ar­beit des Studi­en­gangs Projekt­ma­nage­ment an der Hoch­schule Augs­burg ausge­zeichnet.

Die Kern­themen: Ziel­de­fi­ni­tion, Anfor­de­rungs­profil, Konzept­pla­nung

In ihrem Muster­pro­zess zeigt die Verfas­serin, in welcher logi­schen Abfolge die Infor­ma­tionen und Anfor­de­rungen von den Nutzern und Projekt­be­tei­ligten vorliegen müssen. Das ist wichtig, damit die Inhalte des Bedarfs­plans sinn­voll aufein­ander aufbauen, erar­beitet und vonein­ander abge­leitet werden können. So gelingt ihr ein Verfahren, das trans­pa­rente und belast­bare Antworten auf zentrale Fragen gibt, wie:

  • Welche Aspekte und Themen sind im Vorfeld von Bauvor­haben zu klären?
  • Wie lassen sich aus den von der Nutzer­seite formu­lierten Bedarfen gut durch­dachte und nach­hal­tige Nutzungs­kon­zepte entwi­ckeln?
  • Welche wech­sel­sei­tigen Bezie­hungen gilt es zu berück­sich­tigen, um im Ergebnis einen fundierten und trag­fä­higen Bedarfs­plan ausar­beiten zu können?

Weiterhin hat die Autorin eine Mach­bar­keits­un­ter­su­chung in den Prozess imple­men­tiert. So lassen sich bereits in der Projekt­früh­phase Ziel­kon­flikte iden­ti­fi­zieren und Bedarfs­for­mu­lie­rungen auf ihre Umsetz­bar­keit hin über­prüfen.

Insge­samt schafft der Muster­pro­zess eine ausge­reifte Vorlage dafür, welche konkreten Unter­lagen ein Bedarfs­plan enthalten sollte, damit die Aufga­ben­stel­lung für die nach­fol­genden Planungs­be­tei­ligten klar und eindeutig formu­liert werden kann. Er enthält eine Empfeh­lung, wie die bauli­chen, tech­ni­schen und funk­tio­nalen Anfor­de­rungen für Planer „über­setzt“ werden können, so dass ein Einstieg in die Kern­themen der Planungs­auf­gabe ohne eine weitere umfas­sen­dere Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung möglich ist.

Gegen­über­stel­lung der Verfahren in Bayern und NRW als Grund­lage für den Muster­pro­zess

Dem Muster­pro­zess ging eine aufwän­dige Analyse voraus, in der die Autorin die Vor- und Nach­teile der Verfahren in den beiden Bundes­län­dern heraus­ar­bei­tete und anhand von Beispielen die Umset­zung in der Praxis unter­suchte.  Bei einigen griff sie auf abge­schlos­sene rheform-Projekte zurück. An einem Projekt hat sie selbst mitge­ar­beitet. Über bestehende Bedarfs­pla­nungs­me­thoden hat sie ermit­telt, wie die Verfahren in der Phase der Bedarfs­pla­nung gere­gelt sind, wer in welcher Aufgaben- und Rollen­ver­tei­lung in den Prozess einbe­zogen wird und welche Unter­lagen vonseiten der Hoch­schule zu erar­beiten und zur Projekt­ge­neh­mi­gung einzu­rei­chen sind.

Hinsicht­lich Orga­ni­sa­ti­ons­struktur und Verfah­rens­weise unter­scheiden sich die beiden Bundes­länder vonein­ander. In Bayern ist die staat­liche Bauver­wal­tung als Bauherr für Planen, Bauen und Betreiben verant­wort­lich. In NRW wurde 2001 ein Vermieter-Mieter-Modell einge­führt. Dabei tritt der Bau- und Liegen­schafts­be­trieb (BLB NRW) auch als Eigen­tümer auf.

Während es in Bayern kein hoch­schul­spe­zi­fi­sches Verfahren gibt, fungiert in NRW das Instru­ment der Hoch­schul-Stand­ort­ent­wick­lungs­pla­nung (HSEP) als Binde­glied zwischen Hoch­schul­ent­wick­lungs­plan (HEP) und der Bedarfs­pla­nung eines konkreten Bauvor­ha­bens. Das Modell wurde von rheform speziell für den Hoch­schulbau entwi­ckelt. Es ermög­licht eine Gesamt­be­trach­tung der struk­tu­rell-orga­ni­sa­to­ri­schen und räum­lich-bauli­chen Hoch­schul­ent­wick­lung.

Ergebnis aus dem Praxis­test: Die bishe­rigen Verfahren sind unzu­rei­chend.

Keines der unter­suchten Verfahren sichert nach Auffas­sung der Verfas­serin die für eine belast­bare Bedarfs­pla­nung erfor­der­liche Qualität. Diese Einschät­zung bezieht sich sowohl auf die Prozess­vor­gaben, die nicht immer eindeutig formu­liert sind und teil­weise wider­sprüch­liche Vorgaben enthalten, als auch auf den gefor­derten Umfang und Grad der Detail­lie­rungs­tiefe. Dieser Eindruck bestä­tigt sich ebenso in der Auswer­tung der Praxis­bei­spiele, die eine große Band­breite in der Ausar­bei­tungs­tiefe aufweisen und zwar unab­hängig von Bundes­land und Verfahren.

Ausschlag­ge­bend für die Qualität des jewei­ligen Ergeb­nisses ist in erster Linie die Kompe­tenz und Erfah­rung der Verant­wort­li­chen an den entspre­chenden Hoch­schulen, die zur Verfü­gung stehenden perso­nellen und finan­zi­ellen Ressourcen und welcher Stel­len­wert der Bedarfs­pla­nung insge­samt zuge­messen wird. Und dann kommt es ganz wesent­lich noch auf die Kompe­tenz und Erfah­rung des Bedarfs­pla­ners selbst an“, stellt Monika Spengler fest. Dem Analy­se­teil misst die Autorin einen hohen Stel­len­wert bei: „Über die Praxis­bei­spiele habe ich ein besseres Bild davon gewonnen, welche Angaben für die Bedarfs­pla­nung benö­tigt werden und wie eine Aufbe­rei­tung aussehen kann. Theorie und Praxis haben sich so zu einem umfas­sen­deren Bild ergänzt“, hält sie fest. Im Ergebnis legt die Autorin so einen für beide Länder über­ge­ord­neten opti­mierten Bedarfs­pla­nungs-Muster­pro­zess vor, der nach­hal­tige Nutzungs­kon­zepte ermög­licht und einen effi­zi­enten und reibungs­losen weiteren Projekt­ver­lauf fördert. Ganz im Sinne der Novelle der RLBau 2020.

Drei Fragen an…

Monika Spengler studierte Innen­ar­chi­tektur an der FH Rosen­heim und schloss das Studium als Dipl.-Ing. (FH) ab. Anschlie­ßend war sie im Hochbau/​Innenausbau tätig, über­wie­gend ab Leis­tungs­phase 5 (Ausfüh­rungs­pla­nung, Ausschrei­bungen und Vergabe, Objekt­über­wa­chung). Seit 2017 arbeitet sie in der rheform – Entwick­lungs­Ma­nage­ment GmbH im Bereich Ziel­ori­en­tierte Bedarfs­pla­nung. Parallel zu ihrem Einstieg bei der rheform begann sie mit einem berufs­be­glei­tenden Master­stu­dium „Projekt­ma­nage­ment Bau und Immo­bilie“ an der Hoch­schule Augs­burg, das sie 2020 mit dem „M.Eng.“ abschloss. Ihre Master­ar­beit schrieb sie in ihrer einjäh­rigen Eltern­zeit.

Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Als Innen­ar­chi­tektin habe ich die Perspek­tive, nah an den Menschen zu sein, für die am Ende ein Gebäude errichtet wird. Als Steu­er­zah­lerin habe ich ein großes Inter­esse daran, dass die öffent­liche Hand wirt­schaft­lich, nach­haltig und verant­wort­lich agiert. Von daher ist die Bedarfs­pla­nung mit ihren weit­rei­chenden Auswir­kungen auf Menschen und Ressourcen für mich sehr wichtig.

Vor diesem Hinter­grund war es für mich nahe­lie­gend, für meine Master­ar­beit ein Thema aus dem Bereich der Bedarfs­pla­nung zu wählen. Das Themen­feld selbst habe ich mir erst über meine Tätig­keit bei der rheform erschlossen. Bei der Eingren­zung des Themas war Joachim Heintze, der Gründer und einer der geschäfts­füh­renden Gesell­schafter, ein wich­tiger Impuls­geber, Gesprächs­partner und Türöffner. Er hat mich dabei unter­stützt, Ansprech­partner aus abge­schlos­senen Projekten für Inter­views zu gewinnen. An einem der beschrie­benen Projekte war ich selbst betei­ligt. Dieser vertiefte Einblick hat mir bei der Ausar­bei­tung der Inter­view­fragen geholfen.

Es war mir jedoch wichtig, auch Projekte in die Auswer­tung aufzu­nehmen, die andere Dienst­leister erstellt hatten. Ich fand es inter­es­sant zu unter­su­chen, mit welcher Bear­bei­tungs­tiefe und Ausar­bei­tungs­qua­lität andere an das Thema heran­gehen und wie sich deren Heran­ge­hens­weise von der der rheform unter­scheidet. Dabei lässt sich der von rheform vertre­tene Grund­satz zur ganz­heit­li­chen Betrach­tung an den Bedarfs­pla­nungs­un­ter­lagen der unter­suchten Projekt­bei­spiele deut­lich ablesen. Was sie auszeichnet, ist der Umfang und die Tiefe des Anfor­de­rungs­pro­fils, der Fokus auf die Lösung der Ziel-Konflikte und wie die Umset­zung der Anfor­de­rungen auf ihre Mach­bar­keit hin über­prüft wird.

Aus dieser Ausein­an­der­set­zung entwi­ckelte ich dann den Muster­pro­zess, in dem ich die erfor­der­li­chen Schritte, Zusam­men­hänge und Abfolgen klärte, in eine logi­sche Abfolge brachte und eine Art Leit­faden oder Orien­tie­rungs­hilfe erstellte. Auf Basis der unter­schied­li­chen Ansätze und Vorge­hens­weisen war das eine überaus heraus­for­dernde Aufgabe.

Sie behaupten, dass Ihr Muster­pro­zess so aufge­setzt ist, dass „nach­hal­tige Nutzungs­kon­zepte“ möglich werden. Was verstehen Sie darunter? „Nach­haltig“ ist schließ­lich ein stark stra­pa­zierter Begriff.

Ich verstehe den Begriff „nach­haltig“ vor allem im Sinn von „dauer­haft ressour­cen­scho­nend“. In meinem Kontext erhebe ich den Anspruch, dass sich dieser Effekt sowohl auf den bauli­chen Aufwand als auch auf die im Gebäude tätigen Menschen positiv auswirken wird.

Bezogen auf das Bauen bedeutet das im ersten Schritt, Aufwände insge­samt zu redu­zieren – sowohl in Hinblick auf die zu erstel­lende Fläche als auch auf den tech­ni­schen Ausstat­tungs­grad. Die ganz große und immer wieder neue Heraus­for­de­rung bei dieser Heran­ge­hens­weise besteht nicht darin, einfach nur Fläche einzu­sparen. Das wäre zu kurz gegriffen. Es geht viel­mehr darum, im Einklang mit allen Projekt­be­tei­ligten und unter Berück­sich­ti­gung der gege­benen Restrik­tionen die insge­samt beste Lösung für das Projekt auf Basis inno­va­tiver und smarter Konzepte zu entwi­ckeln.

Von diesen profi­tieren im nächsten Schritt vor allem die Menschen, die im Gebäude tätig sind – über effi­zi­en­tere Prozess- und Arbeits­ab­läufe, wie z. B. über kürzere Wege. Möglich sind aber auch neue, zukunfts­wei­sende Formen der Zusam­men­ar­beit, die im besten Fall die Kommu­ni­ka­tion und persön­liche Begeg­nung fördern.

Wie können Sie die Inhalte und Ergeb­nisse Ihrer Master­ar­beit aktuell in der rheform GmbH einbringen?

Durch das zusätz­liche Master­stu­dium zu meinem Diplom habe ich mir weitere Kompe­tenzen im Baube­reich ange­eignet. Sie verhelfen mir zu dem nötigen Weit­blick, den es für meine Arbeit bei der rheform braucht und den unsere Kunden explizit einfor­dern und auch erhalten. Bei der rheform bear­beiten wir Projekte nicht nach Schema‑F. Je nach Problem­stel­lung ist die Heran­ge­hens­weise bei jedem Projekt unter­schied­lich.

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